De Fischer Jens Holtappel is
Invalide; de Fischeree mutt dorüm sien Söhn Hauke alleen beschicken.
Avers veel suert dor nich bi ruut. Wiel se ehr Verwandtschap hölpen
will, besorgt Jens' sien Swägersch Loschie-Gäst ut de Stadt: Herrn
Schulz un Dochter. De ole Fischer mag dat gor nich hebben, dat he
sien Huus mit frömde Lü delen schall, man de junge Martina warmt
nich blots sien Hart. Man is Martina würklich Schulz sien Dochter?
Twiefelmödig lett sik dat wull, un ok de Fraag, wat för Afsichten nu
egentlich achter de Ferienreis steken doot...
De Autor
Autor: Ingo Sax 1940 in Hamburg
geboren zu sein, bedeutete für Ingo Sax: Vater im Krieg, Mutter
allein, Evakuierung nach Schlesien und Flucht von dort.
Einquartierung in Schleswig-Holstein bei einem Bauern. Rückkehr in
ein beengtes Behelfsheim. Steckrübenwinter, selbstgekochter Sirup
und Stubbenroden mit dem Großvater. Schon während der Schulzeit
wuchs seine Sehnsucht nach der weiten Welt. Er las die
Abenteuerromane von Jack London und Joseph Conrad, die seine Träume
füllten. Der Wunsch, ebenfalls zur See zu fahren, ließ ihn nicht
mehr los.
Nach der mittleren Reife Schlosser zu lernen und anschließend
Maschinenbau zu studieren, war deshalb eigentlich konsequent. Als
ihm jedoch Fahrensleute über die heutigen Verhältnisse auf See
berichteten, musste Sax seine romantischen Träume von der
christlichen Seefahrt begraben. Mit den Erlebnissen eines Joseph
Conrad hatte das nichts mehr zu tun. Aber die weite Welt lockte noch
immer, und nach Beendigung des Studiums erlag Sax der Versuchung. Er
machte den LKW-Führerschein und beförderte drei Jahre die
unterschiedlichsten Waren durch Europa, um auf diese Weise „die Luft
der Freiheit zu schnuppern“.
Doch diese „Freiheit“ bedeutete vor allem unüberwindlichen
Termindruck, der auf dem Rücken der Fahrer ausgetragen wurde. - Eine
dieser Touren allerdings sollte Sax‘ Leben verändern: Die Erlebnisse
seiner frühen Kindheit, der Krieg und die Folgen hatten sein
Fähigkeit zu sprechen erschüttert. Er war Stotterer geworden. Auf
einer seiner Fahrten nun nahm Sax einen grauhaarigen Tramper mit,
der sich als Psychoanalytiker entpuppte. Dieser Arzt, der aus purem
Spaß mit dem Rucksack durch die Lande zog, nahm sich seines
Chauffeurs an und kochte dessen Seele aus. Ein befreundeter
Schauspieler tat das Übrige undbügelte Sax‘ Sprache auf. Vorbei war
die Zeit, als er Schweißausbrüche bekam, wenn er jemanden ansprechen
wollte. - „Dat gifft so veel Lüüd, de sitt jüst so in‘n Schiet, as
du freuher. Kannst du nicht wat lehrn, dat du jüm hölpen kannst?“
fragte Sax‘ Großvater den kurierten Enkel. Und der tat‘s: 1965 nahm
er das Studium der Sozialpädagogik und Psychologie auf, das er fünf
Jahre später abschloss. Danach leitete Sax die Kurse für Kunst- und
Werkerziehung an einer Hamburger Schule für Behinderte. - Zum
Schreiben kam er eher zufällig, denn seine ersten Geschichten
entstanden als Fingerübung, während er fürs Studium Schreibmaschine
lernte. 1984 produzierte Radio Bremen sein erstes plattdeutsches
Hörspiel. - Bekannt geworden ist Sax aber vor allem als
Theaterautor.
Das begann in der Spielzeit 1985/86 mit der Uraufführung des Stücks
„Blifft all‘ns in de Familie“ am Hamburger Ohnsorg-Theater. Weitere
Komödien folgten; 1988 wurde „Güstern eerst un morgen wedder“ in
Kiel uraufgeführt. Hierin behandelte Sax ein Kapitel deutscher
Vergangenheit am Beispiel von Dorfbewohnern, die
nationalsozialistische Verbrechen an Sinti und Roma in ihrem Dorf
erfolgreich verdrängen konnten. Mit „Amaretto“ (1989) machte Ingo
Sax seinen ersten Ausflug ins Krimi-Milieu. Danach stellte er mit
„Amanita“ die psychologische Studie einer „Zwangsschweigerin“ vor.
Für dieses Stück wurde ihm beim Autorenwettbewerb des
Niederdeutschen Bühnenbunds Niedersachen/Bremen der erste Preis
zugesprochen. - Ingo Sax gehört heute zu den besten plattdeutsch
schreibenden Autoren. Er hat der niederdeutschen Theaterliteratur
neue Impulse gegeben und immer wieder neue Inhalte zum Thema seiner
Stücke gemacht. Für diese Verdienste wurde er am 22. September 1991
mit dem Fritz-Reuter-Preis der Hamburger Stiftung F.V.S
ausgezeichnet. Ferner beschäftigt sich Ingo Sax gekonnt mit der
Bearbeitung von Märchen- und Sagenstoffen, die sich allesamt durch
eigenwillige Originalität auszeichnen.
1995 spielte die VB Rissen das Sax-Stück „Lütte, witte Siedenschoh“
und begrüßte Ingo Sax als besonderen Ehrengast, und auch bei "Blifft
all'ns in de Familie" kam der Dichter zur Premiere.
Presse
Inszenierung auf hohem Niveau
Stürmischer Beifall für pointenreiche
Komödie
Die Mimen der Volksspielbühne
überzeugten das Publikum. Eine trickreiche Handlung, absolut
pointensichere Darsteller und ein Bühnenbild vom Feinsten: Mit der
plattdeutschen Komödie „Blifft all'ns in de Familie" landete die
Volksspielbühne Rissen einen Volltreffer.
Grimmig, bärbeißig, kauzig: Den friesisch-grantelnden Fischer Jens
Holtappel hätte sogar ein Bayer verstanden und genossen. Und das lag
vor allem an dessen Darsteller Henning Lutz. Allein durch seine
flexible Mimik und die auf den Punkt präzisen Gesten löste er
Lachsalven unter den rund 150 Premierengästen in der Aula der Schule
Iserbarg aus. Selbst wer seine Texte nicht verstand, lachte Tränen.
So kommentiert er den aus Geldmangel eher baufälligen Zustand seines
Hauses einfach so: „Das Dach fliegt bloß deshalb nicht weg, weil so
viele Hypotheken drauf liegen." (Selbstverständlich auf platt.) Und
dabei gab er den gediegenen Gesichtsfalten des mittleren Alters den
Ausdruck eines trotzigen Kleinkinds. Henning Lutz als durch einen
Arbeitsunfall invaliden Fischer Jens Holtappel muss man einfach live
sehen: In dieser Rolle ist er ein Gesamtkunstwerk.
Das soll die Leistung des gesamten Ensembles nicht schmälern. Im
Gegenteil: Erst die kongeniale Spielkunst der sieben anderen
Bühnenakteure sicherte der Inszenierung ihr hohes Niveau. Von der
burschikosen Fischerstochter Beate (Samira Müller) über den
zwielichtigen Logiegast Manfred Schulz (in seiner ersten Rolle:
Karl-August Braker) bis zum eisgrauen Notar Dr. Suurbeer (Henner
Heinsohn) glänzten alle Darsteller als pointensichere Vollblutmimen.
Jede Pause passte, jedes Heben der Mundwinkel erzielte den
gewünschten Effekt. Da hatten die beiden Jungregisseure Christian
Dennert und Christian Bauer (der spielte außerdem überzeugend den
Fischersohn Hauke) ganze Arbeit geleistet.
Die Inszenierung begeisterte auch den Autor des Stücks, Ingo Sax.
„Hier wird eine hervorragende, saubere Theatertradition gepflegt.
Das ist schnelles, modernes Komödientheater, keine schleppende
Bauernbühne", sagte Sax am Rande der Premiere. Sein Stück war 1986
vom Ohnsorg-Theater uraufgeführt worden. Ein dickes Kompliment auch
an die Bühnenbildner rund um Hanns Wieck: Bis in die kleinsten
Details, zum Beispiel die täuschend echt wirkenden blauen
Friesenkacheln (per Hand gezeichnet) und das Uralt-Waschbecken mit
fließendem (!) Wasser stimmte die nordfriesische Kulisse. Denn in
einer alten Fischerkate in den 80er Jahren hatte Autor Sax sein
Stück angesiedelt. Patriarch Jens sitzt lahm und verbittert zu
Hause. Sohn Hauke fährt als Fischer raus, aber das Geld reicht vorn
und hinten nicht. Da schlägt Schwägerin Rieke (Monika Stellmach),
wohlhabend geworden als Hotelchefin, der armen Verwandtschaft vor,
zwei Sommergäste aufzunehmen. Vater Jens ist erst wenig begeistert.
Doch der schnuckelige Gast Martina (Annalies Karnatz) wickelt ihn
rasch um den Finger, lässt sich vom doppelt so alten Fischer
bereitwillig den Hof machen. Sohn Hauke, ebenfalls verliebt in den
hübschen Gast, scheint das Nachsehen zu haben.
Doch irgendetwas ist faul an Vater und Tochter Schulz. Und
schließlich lassen die gewieften Holtappels den aalglatten Städter
Schulz in seine eigene Falle tappen.
(Wedel-Schulauer Tageblatt, 6.11.07)
Volksspielbühne begeisterte mit
"Blifft all'ns in de Familie"
Einen vollen Erfolg landete die
Volksspielbühne Rissen mit ihrem Herbststück "Blifft all'ns in de
Familie", das in 6 Aufführungen Anfang November insgesamt fast 1200
Zuschauer begeisterte. Zur Handlung: Der Fischer Jens Holtappel
(brilliant gespielt von Henning Lutz) ist verbittert. Nach einem
Arbeitsunfall invalide, muss sein Sohn Hauke (Christian Bauer) die
Fischerei allein bestreiten. Aber das Geld reicht vorn und hinten
nicht. Da kommt Schwägerin Rieke (Monika Stellmach) auf die Idee,
ihnen Feriengäste aus der Stadt zu vermitteln. Der bärbeißige Friese
Holtappel ist zunächst nicht begeistert von der Idee, sein Haus mit
Fremden zu teilen, was sich aber ändert, als die attraktive Martina
Schulz mit ihrem Vater einzieht. Doch irgendetwas stimmt nicht mit
dem sauberen Städter Schulz... Die trickreiche Handlung und die
pointierte Umsetzung des Stückes gefiel nicht nur den Zuschauern.
Auch Autor Ingo Sax bescheinigte der Volksspielbühne modernes
Theater auf hohem Niveau.