Der Hausfrieden ist bedroht! Wen
wundert das? Der Vater ist bei Ganstern verschollen, der Sohn
organisiert aus Rache eine Jugendbande mit "edlen" Zielen, die
Tochter lebt in wilder Ehr mit dem Oberkellner - wie Gerüchte wissen
wollen.
Otto Schröder hat das Stück
inszeniert, das nicht nur der wachsenden Jugendkriminalität etwas
entgegensetzen will, sondern auch spießbürgerliche Geschwätzigkeit
glossiert.
Presse
Noch kein Platz für Volksbühne
Wedels Theaterblut pulsiert in Rissen / Kann in der neuen
Strandbadgaststätte gespielt werden?
Wedel. Sechs Wedeler Volksbühnen-Schauspieler und eine Wedeler
Souffleuse freuen sich darauf, im Herbst 1964 und im Frühjahr 1965
endlich einmal wieder in ihrer Heimatstadt auf den Brettern wirken
zu können. Sie sind Mitglieder des Ensembles der Volksspielbühne
Rissen. Der Wedeler Postbeamte Heinrich Tewes ist sogar seit drei
Jahren der Spielleiter dieser Amateurtheater-Gruppe. Das mimische
Talent der Wedeler Bühnenamateure wird von der Freien und Hansestadt
Hamburg gefördert und hoch' bewertet. In Wedel gibt es für solche
Talente seit Jahren keinen Raum, auch keine Förderung. Nur in
gelegentlichen Gastspielen der Rissener Bühne finden sie
Gelegenheit, sich dem Publikum ihrer Heimatstadt vorzustellen.
Wedeler spielen dann als Gäste in Wedel.
Als dem „Theaterverein Wedel-Schulau von 1919" nach mehr als
5Ojährigem Bestehen die Proben- und Spielstätte vor einer Reihe von
Jahren entzogen wurde, weil der alte Köhlersche Gasthof in der
Spitzerdorfstraße seine Pforten schloß, war das für alle Wedeler
Freunde der Volksbühnenkunst ein schwerer Schlag. Die über 20
aktiven Mitglieder des Vereins konnten sich in ihrer Heimatstadt
nicht mehr produzieren. Einige von ihnen suchten und fanden Anschluß
bei der Volksspielbühne Rissen. Rissen gehört zu Hamburg. In Hamburg
steht die Volksbühnenkunst hoch im Kurs. Die Kulturbehörde tut viel
dafür. Den Rissener Spielern war der Zustrom frischen Wedeler
Theaterblutes sehr willkommen. Heinrich Tewes gefiel den Rissenern
so gut, daß sie ihm das Amt des Spielleiters übertrugen. Seine junge
Ehefrau Christel wirkt als Regieassistentin. Nicht nur ein fester
Wedeler Stamm trat zum Ensemble Rissen über, sondern auch
Einzelspieler der alten Wedeler Theatergruppe übernehmen immer
wieder Rollen in Rissen. Wedels Theaterblut pulsiert in Rissen!
Die Rissener Bühne ist in Hamburg sehr geachtet. Auf der einzigen
Freilichtbühne Hamburgs im Stadtpark von Barmbek-Uhlenhorst spielen
die Rissener und Wedeler sehr oft. Von weit und breit strömen die
Hamburger zu diesen Aufführungen. Sonderkommandos der Polizei müssen
an diesen Sommersonntagen den Autoverkehr um den Stadtpark regeln,
so groß ist der Andrang. Und für alle diese Aufführungen der
Rissener Bühne und ihrer Wedeler Spieler zeichnet der Wedeler Tewes
verantwortlich. Hamburgs Kulturbehörde hat sogar die Rissener Bühne
mit Aufführungen auf Hahnöfersand beauftragt. Die Volksbühnenspieler
von Rissen und Wedel sollen den Jugendlichen, die auf dieser
Elbinsel Strafen verbüßen, zur gesunden Lebensfreude und zur
moralischen Aufrüstung verhelfen.
Im Juni dieses Jahres fand in Hamburg eine von der gesamten Presse
der Hansestadt eingehend gewürdigte Gemeinschaftsaufführung der
Hamburger Volksbühnen statt. Die einzelnen Rollen des Volksstückes
„Dat Appelspill" waren mit den jeweils besten Darstellern der
verschiedenen Volksbühnen der Hansestadt besetzt. Heinrich Tewes aus
Wedel, als der beste Darsteller des Rissener Ensembles anerkannt,
spielte die symbolische Rolle des Lebens.
Ein Wedeler war den Hamburgern gut genug, um das Leben zu
verkörpern. In Hainberg, nicht in Wedel! Soeben hatte die
Kulturbehörde Hamburg Spielleiter und Darsteller der Volksbühnen zu
einem Lehrgang zusammengeholt. Auch Heinrich Tewes war wieder dabei.
Er ist dankbar für diese Förderung. Er erklärte dem Wedel-Schulauer
Tageblatt: „Die Verbindung mit den Hamburgern bringt uns viele
Freude. Am liebsten aber würden wir gern Proben und Spiel in unserer
Heimatstadt wieder aufnehmen. Das schließt nicht aus, daß die
Verbindung mit Hamburg bestehen bleibt. Im Gegenteil: die Hamburger
Volksbühnen trachten danach, gleichzeitig mit ihrem Wirken aus den
Randgebieten Impulse zu beziehen. Ihnen geht es um die
Aufrechterhaltung des Ursprünglichen, um die Förderung der mimischen
Freude, die in viel mehr Menschen steckt als man ahnt. Wer spielt
nicht gern eine Rolle? Wenn wir in Wedel verkünden könnten, wir
nehmen morgen mit unserem Wedel-Schulauer Theaterverein Spiel und
Proben in Wedel wieder auf, strömt die Jugend zu uns. Immer wieder
werden wir gefragt, ob wir nicht bald wieder anfangen. Vielleicht
bietet die neue Strandbadgaststätte eine erste Möglichkeit.
Vielleicht ließe sich ein Podium bauen, das gleichzeitig der
Gaststätte dient!"
Dieser erste Silberstreifen am Horizont, der hier angedeutet wird,
bedarf der Gespräche, sicher auch der Einschaltung wohlwollender
fördernder Stellen Eigentlich müßte der Theaterverein Wedel-Schulau
in Wedel eine Chance haben. Gewissen Traditionen ist man doch in
Wedel durchaus geneigt. Das Wort, daß der Prophet nichts in seinem
Vaterlande gilt, sollte, auf diesen Fall bezogen, in Wedel keine
Gültigkeit mehr haben, denn Wedels Volksschauspieler, hauptberuflich
Angestellte, Handwerker, Selbständige, Beamte und Hausfrauen, haben
sich auf den Brettern, die auch für sie die Welt bedeuten, außerhalb
ihrer Heimatstadt gut bewährt, nämlich in Hamburg. Dort liebt man
sie.
(Wedel-Schulauer
Tageblatt)
„Gerüchte"
Am 25. 10. kamen sie aus Rissen, denn die V.B. Rissen hatte sie in
die Welt beziehungsweise Bühne gesetzt. Sogar als Uraufführung, denn
die Besucher bekamen sie aus erster Hand, und geschrieben wurde das
Stück von einem Mitglied: E. Granzow. Als Handlung hatte es den
alten und doch ewig neuen Klatsch und Tratsch der Nachbarn. In
seiner Sprache war es meiner Meinung nach manchmal etwas zu
drastisch, trotz allem hat mir das Stück an Inhalt und Aufbau
gefallen. Der Spielleiter O. Schröder hatte es sich wirklich nicht
leicht gemacht, aus seinen Spielern die Typen zu formen und zum
Erfolg zu bringen. Hilma Wieck als Anne Stöcklein war der Punkt, um
den sich alles drehte, die aber auch auf Grund ihrer spielerischen
Fähigkeit jeden auffing, der abzurutschen drohte. Ulli Prehm als ihr
Sohn Hermann, das erste Mal auf der Bühne, konnte nicht so recht mit
seiner Rolle fertig werden. Er hatte es am leichtesten, er brauchte
nur sich selbst zu spielen, es war alles noch zu gekünstelt und zu
steif. Anke Wehr als Tochter Frieda war gut, nur der Rolle nach
hätte sie mehr auf Luderchen spielen können. Heinrich Tewes, als
Fritz Butenschön kennt jedes Brett auf seiner Bühne, ist in jedem
Sattel gerecht, und damit wäre alles gesagt. Egbert Wieck und Willi
Brunck-horst als Hauswirt und Nachbar haben aus ihren Rollen
gemacht, was herauszuholen war, und es war nicht wenig. Ingrid
Zimmer als Gerüchte machende Nachbarin, agil von den Zehenspitzen
bis zum Kopf, hat eine Version einer klatschsüchtigen Frau
hingelegt, daß man seine helle Freude hatte — die ganze Frau nur
Mundwerk. Erich Hübner als sächselnder Kriminalinspektor hatte schon
durch seine Sprechweise einen Erfolg, den er spielerisch abrundete.
Alles in allem ein guter Erfolg für die Autorin des Stückes, für die
V.B. Rissen ein volles Haus, fürs Publikum ein heiterer Abend. Da
sage noch einer, in den Randgebieten sei nichts los. Frei nach der
V.B.-Zeitung würde ich sagen: vier Sterne. (Verbandskritiker Herbert Müller)
Die Autorin der „Gerüchte ist eine
Rissenerin
Rissen. Am Wochenende brachte die Volksspielbühne Rissen „Gerüchte!"
als Uraufführung. Regie Herr O. Schröder. Mit Schwung und Liebe
ließen die Amateurspieler die Volkskomödie abrollen. Der Saal des
„Heidehauses" konnte kaum alle Theatergäste fassen.
Auf der Bühne mußte Frau Stücklein nach über zwanzigjähriger Ehe
plötzlich Vater und Mutter, Hausfrau und Ernährer sein. Ihr Mann,
der Käppen ist auf irgendwelchen wilden südlichen Inseln
verschollen. Sie laviert nun tapfer durch die Klippen der
Geldknappheit und bemüht sich, Tochter Frieda (Anfang zwanzig) und
Sohn Hermann (17) zu reellen Menschen zu erziehen. Hermann will für
Gerechtigkeit gegen Unrecht kämpfen. Er tut es mit seiner Bande der
„Weißen Hand", aber nicht gerade mit legalen Mitteln. Frieda
beschnackt ihre Mutter, dem Verlobten Butenschön ein Zimmer zu
vermieten, weil dann alle zusammen besser mit dem Geld auskommen
werden. Was für Stoff für Gerüchte! Sie zaubern Hermann in einen
jugendlichen Gangsterboß um und den Käppen in einen Waffenschmuggler
und Weiberhelden. Frau Stöcklein wird ein Verhältnis mit dem tutigen
Hauswirt angedichtet und dann Frieda und ihr Verlobter... Herr und
Frau Machill schwelgen in diesen Gerüchten, teils l'art pour l'art,
teils um Frau Stöcklein zu zwingen, mit ihnen die Wohnung zu
tauschen.
Aber zum Schluß triumphiert doch die tapfere Mutter: ihr Mann, der
unschuldig im Gefängnis saß, wird zurückkommen. Der Hauswirt hat
sich mit einer anderen verlobt. Hermann entwächst dem schwierigen
Alter und Tochter Frieda ist schon lange amtlich verheiratet.
Den Problemen dieser Handlung folgt ständig ein schmunzelnder Humor.
Immer wieder verblüfft Situationskomik die Zuschauer. Immer wieder
lachen die Zuschauer und geben Applaus mitten in der Szene. Es ist
ein voller Erfolg, zu dem alle Schauspieler beitrugen:
Niemand wußte, daß die Autorin des Stückes, Else Granzow aus Rissen,
mitten unter den Zuschauern saß. Sie ist Schauspielerin des
ehemaligen Ernst Drucker- und jetzigen St. Pauli-Theaters.
„Gerüchte" ist ihr erstes Volksstück. Es hat Herz und Humor und die
Handlung ging von Anfang bis Ende zügig, ohne müde Stellen weiter.
Toi, toi, toi für weiteres Schaffen.
(Norddeutsche Nachrichten)
Tratsch der Nachbarn war umsonst
Volksspielbühne Rissen gastierte mit Volkskomödie in Wedel
Mit der Volkskomödie „Gerüchte" von E. Granzow in drei Akten hat die
Volksspielbühne Rissen in der Schauburg in Wedel erfolgreich
gastiert. Das Gerücht um den unmoralischen Lebenswandel im Hause
von Anne Stöcklein bestimmt den Gehalt des Stückes. Frieda Stöcklein
wohnt in der Wohnung ihrer Mutter mit ihrem zukünftigen Ehemann
Fritz Butenschön Zimmer an Zimmer. In allen Ehren, versteht sich.
Aber nicht für die lieben Nachbarn. Gustav Machill und Frau Ursula
waren auf die Stöckleinsche Wohnung im Tauschwege aus und sahen sich
in ihren Hoffnungen arg enttäuscht, als der Herr Untermieter einzog.
Ursula Machill, prächtig dargestellt als keifende Schludertante von
Ingrid Zimmer, versucht der biederen Familie Stöcklein die höchste
Unmoral anzudichten. Selbst die Ordnungshüter werden bemüht und
Erich Hübner erscheint als sächselnder Kriminalbeamter auf der
Bühne vom Sittendezernat der Kripo und stellt hochnotpeinliche
Verhöre für die biedere Mutter Stöcklein, lebensecht gespielt von
Hilma Wieck, an. Natürlich merkt der „Kriminaler" sofort, daß hier
höchst kuriose Dinge gespielt werden. Und es kommt schließlich doch
ans Tageslicht, nämlich die große Unmoral der jungen Leute, die gar
keine ist, weil sie längst verheiratet sind.
Das durften sie nur nicht sagen, weil Fritz Butenschön, den der
Wedeler Heinrich Tewes etwas übertrieben als zuvorkommenden
Oberkellner spielt, noch seine reiche Erbtante beerben wollte. Sie
hatte ihm nämlich ihr Geld vermacht unter der Bedingung, daß er die
Frieda (Anke Wehr aus Wedel) nicht heiraten dürfe. Glücklicherweise
starb die reiche Erbtante rechtzeitig, so daß die Unmoral im Hause
Stöcklein rechtzeitig als normale Ehe aufgeklärt werden konnte.
Sonderlob verdient in der Aufführung auch der Hauswirt Hans Willers,
den Egbert Wieck prächtig spielt als leicht verrückten Junggesellen.