(entnommen aus
"Heinrich v. Kleist oder Das absolute Ich" v. Günter Blöcker)
"Die Charaktere sind nicht für sich
entwickelt, sondern ganz auf das Zusammen im Spiele komponiert wie
in einem Bilde die Figuren. Je nach dem treten sie hervor, sind
reicher und farbiger gesehen oder weichen zurück vor dem Gange der
Handlung. Wenn sie jetzt auch im Streite liegen, so sind diese
Menschen doch alle Mitglieder einer Dorfgemeinschaft, die in
gleiches begrenztes Schicksal und eine enge Geschichte verbindet.
So steht auch Adam unter
ihnen, und das gibt seinem Stammvaternamen noch eine besondere
Schattierung. Alle kehren die Seite ihres Wesens heraus, die ihre
Rolle in diesem Konflikte besonders rechtfertigt.
Ruprecht ist eine derbe,
gesunde aber heißblütige eifersüchtig-vorschnelle
Bauernburschennatur voll jugendlicher Kraft und offenherziger
Gradheit;
Frau Marthe Rull das lärmende
Weib, das in seinem heiligsten Innern, in seiner Mutterliebe und in
seinem guten Namen durch die Verdächtigung der Tochter verwundet
ist;
Veit der biedere in sich
ruhende Mann aus dem Volke, dem Ehrlichkeit unter allen Umständen
reflexionslose Selbstverständlichkeit ist.
In Adam entfaltet Kleist die
strotzende Pracht seiner komischen Erfindungsgabe. Einmal
hineingedrängt in die verteufelt schwierige Lage seines
Selbstrichteramtes, wachen unter dem Drucke der Not erst Adams
verborgene Anlagen auf, und er wird zum komischen Genie, dem
Falstaff ebenbürtig. Unbekümmert um Übereinstimmung oder
Widerspruch, wandelt er die Perücken- und Fallgeschichte in immer
neuen Variationen ab, der Augenblick lockt ihn zum Überspringen
aller Realität, und er hat, einmal erwacht, seine Lust an der so
verkehrten Welt, in deren tollen Wirbeln er mitgerissen wird,
gleichgültig wohin. So vervielfältigt sich seine Rolle und er
potenziert sich selbst in ihre Vielzahl hinein, bald sich verratend,
bald in genialem Zufall und triumphierend schwebend über der
armseligen, nüchternen Wirklichkeit. Wort- und Situationswitze
überpurzeln sich förmlich, was gedacht werden soll, wird gesprochen,
was gesprochen werden soll, gedacht, Handlung und Absicht
durchkreuzen sich, und in diesem erhabenen Durcheinander wächst Adam
königlich empor mit dem Anspruch auf Eigengeltung dieser Genialität,
die alle Fragen nach Schuld und Strafe unter sich lässt. Sein
Interesse an dem sachlichen Verlaufe des Abenteuers beim Berichte
Ruprechts lässt ihn alle Rücksichten auf sich selber vergessen, mit
dem Burschen und Licht zusammen glüht er förmlich in der
Wiederholung des Abenteuers aus der Erinnerung, und wenn er den
"Blitzjungen", den Ruprecht, bewundert, spürt man, dass auch er
einmal einer gewesen, dessen heißes Blut noch Spätherbsttriebe
hervorgebracht hat.
Durch Licht, seinen seltsamen
Sekundanten und falschen Helfer, kommt in das Rokokorankenwerk
seiner züngelnden Witze erst die eigentümliche Beleuchtung, er gibt
neue Durchblicke und verrät den bedenklichen Hintergrund. Die
Perücken-, Perlhuhn- und Adamsfallgeschichte mit der Beschreibung
des Ofens flechten sich schmückend und illustrierend durch das
Abenteuer, und in ihrer Mitte erscheint der zerbrochene Krug mit
seiner Geschichte für sich. In der Freude der barocken Schilderung
hat sich hier der Dichter beinahe zu sehr in die Breite verloren.
Die Lust an dem Fortspinnen der Komödie ins Unendliche, Grenzenlose
hat ihn hier bestimmt. Sie gehört zum Charakter der Dichtung."
(Friedrich Braig)
Presse
Es wird sicherlich immer ein Risiko
für Amateuerbühnen sein, sich an einen "Klassiker" wie Kleists
"Zerbrochenen Krug" heranzuwagen, in dessen Hauptrolle immerhin
schon solche "Größen" wie Emil Jannings und Werner Krauss - um nur
zwei zu nennen - glänzten. Auch vermag die Tatsache, daß die VB
Rissen mit dem "Tweismeten Kruuk" die niederdeutsche Version des
Lustspiels auf ihren Spielplan brachte, nicht darüber
hinwegzutäuschen, daß dieses Stück, als Klassiker gespielt, für jede
Amateurbühne mindestens eine Nummer zu groß sein muß. Wenn die
Rissener trotzdem mit jeder ihrer fünf Aufführungen einen
durchschlagenden Erfolg erzielten, so lag das sicherlich nicht
zuletzt an der fabelhaften Einstellung von Spielleiter Heiner Tewes:
"Ich habe versucht, mir den Ablauf der Handlung vorzustellen, bevor
Kleist das Stück geschrieben hat!" So gesehen muß man ihm
bescheinigen, seinem Publikum ein gut inszeniertes Lustspiel
präsentiert zu haben. Rudi Schröder, als Dorfrichter Adam von Figur
und Sprache schon der richtige Typ für die Rolle, verstand es in
jeder Phase, sich richtig in Szene zu setzen. Obwohl sein Part
stellenweise geradezu zum Übertreiben verführt, beherrschte er
jederzeit das Geschehen und brachte sowohl weiche als auch harte
Töne glaubhaft und überzeugend an. Da hatte es Egbert Wieck als
Gerichtsrat Walter schon wesentlich schwerer, der in dieser Rolle
völlig gegen seinen Typ spielen mußte. Um so bewundernswerter ist
es, wie auch er sich jederzeit in der Gewalt hatte und mit einer
Darstellung aufwartete, deren Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft
nicht zu bezweifeln sind. Ein Debütant in der Rolle des Schreibers
Licht war Herbert Lettermann. Auch er brachte eine durchaus
ansprechende Leistung, wenngleich eine gehörige Portion
"Schmierigkeit" und "Katzbuckligkeit" seinem Part wesentlich mehr
Farbe verliehen hätte. Hier hätte von der Regie her noch etwas mehr
gearbeitet werden müssen. Herta Mutschink brachte eine Frau Marthe
Rull auf die Bretter, die unwillkürlich an das Lied von der bösen
Schwiegermutter erinnerte. Robust und selbstbewußt beherrschte sie
den überwiegenden Teil ihrer Rolle, ließ jedoch bei weichen Tönen
ein wenig "Herz" vermissen. Ganz anders das Pendant dazu Silke
Lorenzen als ihre Tochter Eve. Ihr zurückhaltender Charme und ihre
Natürlichkeit bezauberte nicht nur ihren Ruprecht und den
Dorfrichter Adam, sondern auch das ganze Publikum. Obwohl nur in
wenigen Szenen im Vordergrund, spielte sie immer mit und ließ,
besonders auch mimisch, keinen Wunsch offen. Dieter Kirschner, der
den Bauern Veit Tümpel darstellte, war für mich eine glatte
Fehlbesetzung. Das für diese Rolle erforderliche fehlende Alter kann
man nicht einfach durch angegraute Haare und ein paar Falten im
Gesicht ausgleichen (seine Maske war überhaupt sehr schlecht),
sondern durch Beherrschung von Stimme und Bewegung ist auch ein Opa
von einem jungen Mann darzustellen. Aber hier fehlte wohl einfach
das Talent. Dieser Veit Tümpel spielte nie mit, saß meistens
teilnahmslos da und war in jeder Phase unglaubwürdig. Warum wurde
hier nicht umbesetzt? Unvorstellbar, wenn diese Rolle größer gewesen
wäre. Ganz anders agierte dagegen Günter Schramme als Ruprecht. Er
wartete mit einer großartigen Leistung auf und ließ an Echtheit
nichts vermissen. Hilma Wieck stellte eine Frau Brigitte dar, auf
deren Nachbarschaft wohl jeder Zuschauer gern verzichten würde. Eine
gute Leistung, die genauso ansprach wie die kleinen Rollen von Jörn
Schröder, Lisa Schröder und Sabine Mutschink.
Alfred Bergel, Jonni Teich, Kurt Lenz und Uwe Fischbeck erstellten
ein hübsches Bühnenbild, das mir aber von der Aufteilung nicht ganz
gefiel. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Dorfrichter, der sich
eine Registratur leisten kann, sein Bett im Gerichtsraum stehen hat.
Hier wäre zumindest eine angedeutete Trennwand angebracht gewesen.
Die Maskenbildnerinnen Vera Lenz und Regina Braun haben, bis auf die
schon erwähnte Ausnahme, gute Arbeit geleistet.
Fazit: War man als Zweifler nach Rissen gekommen, um Vergleiche mit
Berufsbühneninszenierungen und den schon anfangs erwähnten "Größen"
anzustellen, so hätte man wohl besser den Abend vor dem
Fernsehschirm verbracht. Hatte man aber den Weg in die
Iserbargschule gewählt, um ein gutes, darstellerisch gekonntes
niederdeutsches Lustspiel zu sehen, lag man bei der VB Rissen
goldrichtig. Das beifallsfreudige Publikum würde das sicher
bestätigen.
(Verbandskritiker Harry Engelhardt)
Als Frühjahrsstück dieses Jahres
hatte die Volksspielbühne Rissen von 1955 e. V. unter der
Spielleitung von Heiner Tewes „De tweismeten Kruuk" nach dem
Lustspiel von Heinrich von Kleist dargeboten. Die gelungene
Übertragung ins Plattdeutsche von Hans-Helmut Nissen brachte die
Zuhörer oft zu großen Lachstürmen. Als sich der Vorhang in der Aula
der Iserbarg-Schule zum ersten Bild hob bzw. zur Seite gezogen
wurde, sah man wohl erstmalig auf unserer Bühne einen männlichen
Hauptdarsteller in langen Unterhosen — und dieses köstliche Bild
allein brachte schon gute Laune! Dem Dorfrichter Adam glaubte man
durchaus die Schmerzen der gutgeschminkten Wunden, und der
zielstrebige Schreiber Licht machte seinem Namen wirklich Ehre! Frau
Marthe Rull zeterte um Kruke und Tochterehre, und Ruprecht ließ mit
seiner offenen, einfachen Natur deutlich werden, daß er bald nicht
mehr wußte, wem er glauben sollte. Sein Vater verlangte Ehrlichkeit,
die junge Eve aber gab Anlaß zu Eifersucht. Der Gerichtsrat Walter
brachte schließlich mit würdiger Strenge die Lösung des Falles dem
Ende näher. Der Dorfgerichtsraum als Bühnenbild war liebevoll
hergerichtet, und auch die Kostüme hatten viel sorgfältige
Handarbeit und Mühe gekostet. Manche Kleidungsstücke konnten zum
Glück vom Ernst-Deutsch-Theater entliehen werden, aber da mehrere
„unserer" Schauspieler beinahe ein Gardemaß haben, mußten viele
Kostüme in Rissen selbst geschneidert werden. Der Applaus an allen
fünf Spieltagen war sicherlich der schönste Lohn für alle Arbeit —
und dieser galt nicht nur sämtlichen Darstellern, sondern auch den
vielen weiteren Mitarbeitern vor und hinter der Bühne.
(Rissener Bürgervereinszeitung)
Ab Freitag, dem 2. April, bis
einschl. Dienstag, dem 6. April, jeweils um 20 Uhr spielt die
Volksspielbühne Rissen in der Aula der Schule am Iserbarg in Rissen
"De tweismeten Kruuk" nach dem Lustspiel „Der zerbrochene Krug" von
Heinrich v. Kleist unter Spielleitung von Heiner Tewes.
Nun sagen Sie nicht gleich: „Ein Klassiker auf Plattdeutsch', und
dann noch von einer Volksspielbühne gebracht", und denken dabei
skeptisch an bekannte Film- und Fernsehfassungen. Hier handelt es
sich um eine fast wörtliche, gelungene Übersetzung ins
Niederdeutsche von Hans-Helmut Nissen.
Da Kleist den „Zerbrochenen Krug" in einem Dorfe nahe der
niederländischen Stadt Utrecht spielen läßt, ist es nicht abwegig,
den Dorfrichter Adam in seiner verzwickten Situation in Plattdeutsch
immer neue Lügen erfinden und Frau Marthe Rull deftig um ihre
zerdepperte Kruke in Plattdeutsch zetern zu lassen. Die
Sprachverwandtschaft zwischen dem Niederländischen und dem
Niederdeutschen ist offensichtlich.
Schwierig war es, die Kostüme zu beschaffen. Echte holländische
„Holzschuhe" sind besonders schwer zu bekommen, dagegen konnten u.a.
die „Koje" des Dorfrichters und das Schreibpult des Schreibers Licht
in der Bühnenbauerwerkstatt der V.B.R. angefertigt werden. Wenn das
Stück gefällt, ist der Applaus des Publikums immer noch der schönste
Lohn für alle Arbeit. [...] (Rissener Rundschau)
Theaterspaß in Rissen:
„De tweismeten Kruuk"
Rissen — Die Volksspielbühne Rissen lädt für fünf Abende zum
Theaterspaß in die Aula der Schule Iserbarg ein: vom 2. bis 6. April
geht hier jeweils von 20 Uhr das Stück „De tweismeten Kruuk" über
die Bühne. Das Lustspiel von Heinrich von Kleist ist mit viel Liebe
von Hans-Helmut Nissen ins Plattdeutsche übertragen worden. Auch
Probleme mit den Kostümen konnten erfolgreich gelöst werden. Bärbel
Fischbeck von der Volksspielbühne sagt: „Da die Komödie in Holland
spielt, brauchten wir die entsprechende Kleidung. In unserem
Theaterfundus gibt es diese nicht. Doch Rissenerin Silke Lorenzen
wußte Rat. Sie wandte sich an das Ernst-Deutsch-Theater, wo sie in
großem Umfange Kostüme erhielt." Die Rissener Theateramateure
spielen das Stück mit viel Elan. [...]
(Elbe-Wochenblatt)
"Liebe Amateurspieler der
Volksspierbühne Rissen!
Meine Hörer und ich bedanken sich recht herzlich für die
Möglichkeit, bei Ihren Proben zu fotografieren. In unserer
Dunkelkammer haben die Hörer einige Aufnahmen vergrößert. Ich darf
Ihnen diese Fotos heute als Dank überreichen.
Wenngleich die Lichtverhältnisse nicht gerade optimal waren, haben
wir doch einige brauchbare Aufnahmen zustande gebracht. Beachten Sie
bitte, daß auch meine Hörer nur Laien sind und erst eine kurze Zeit
fotografieren. Ich bin überzeugt, daß Ihnen die Aufnahmen gefallen
werden.
Ich würde Sie gern mit anderen Hörern gelegentlich wieder besuchen.
Unsere Gruppe wünscht Ihnen für die weitere Arbeit den gleichen
Erfolg wie bisher!
Mit freundlichen Grüßen Volkshochschule Wedel Photokurse Dozent Kayo
Heeschen"