Der Hamburger Hafen in den 70er
Jahren ist Treffpunkt für Menschen aus vielen Ländern. Die
Betriebsamkeit der Hafenarbeiter wird jäh unterbrochen, wenn es
"Foftein" heißt. Wirbel in den Alltag bringt eine Erbschaft, die der
Stauerviez Kuddl macht.
Presse
Fofteihn
Nachdem die Rezensentin mehrere übertreffliche Stücke hinter sich
gebracht hatte, ging es nun zur VB Rissen. Die feierte ihr
50-jähriges Jubiläum mit einem musikalischen Lustspiel von Hermann
Bruhn, Fofteihn. Eigentlich sollte man ja bei einem Jubiläumsstück
etwas besonderes, außergewöhnliches, tolles erwarten. Ein Stück, von
dem man noch lange begeistert sein wird. Das ist aber gerade bei
einem musikalischen Lustspiel nicht so ganz einfach. Welche Bühne
hat schon Spieler, die singen können oder gar Musiker sind?
Doch die erste Überraschung gibt es schon lange, bevor das Stück
überhaupt anfangt, nämlich gleich am Eingang. Da stehen doch, und
das gegen Ende Oktober, tatsächlich lauter sehr leicht bekleidete
Damen am Eingang. Ein geradezu aufreizendes Outfit. Sollten das etwa
tatsächlich Prosti..., nein Gott sei Dank, sie verteilen nur
Programm- bzw. Jubiläumshefte.
Mit einer lauten Schiffssirene dann wird darauf aufmerksam gemacht,
dass das Spiel nun bald beginnt. Zwei sehr charmante junge Damen
(Kristina Junge und Janne Braker) sitzen am Bühnenrand und spielen
mit ihrem Akkordeon typische Seemannsmelodien. Und schon befinden
sich die Zuschauer in der Fischerstraat.
Dafür hat die VB Rissen ein zauberhaftes Bühnenbild aufgebaut. Sehr
detailgetreu erkennt man eine typische alte Hamburger Straße samt
Hafenkneipe, einem Haus gegenüber mit kaputten Fenstern und Poller
am hinteren Bühnenrand. Das alles ist so gut gelungen, dass man
glaubt, die Elbe förmlich riechen zu können.
Und dann die Darsteller. Wen soll man da nun hervorheben? Eigentlich
niemanden, denn hier sind alle auf den Punkt genau besetzt. Es
stehen richtige Typen auf der Bühne, die man aus der schönen
Hansestadt nur allzu gut kennt. Da ist zunächst einmal Kuddl, der
Universalerbe, den Heiner Heintzsch sehr charmant auf die Bühne
bringt. Ihm steht Thorsten Junge als angelbegeisterter August in
nichts nach. Sogar die Stimme passt hervorragend zu dieser Figur.
Wenn auch bei dieser Herumfuchtelei mit der Angel kein Fisch der
Welt auch nur eine Chance hätte anzubeißen.
Um den Nachwuchs muss sich die VB Rissen offenbar keine Sorgen
machen, denn mit Jonny Karnatz und Christian Bauer, beide als
Hafenarbeiter zu sehen, haben sie zwei äußerst begabte junge
Schauspieler in ihrer Truppe. Letztgenannter erntete mit seinem
Gesangssolo berechtigt tosenden Beifall. Eine tolle Gesangsstimme.
Doch nicht nur schmucke junge Kerle gibt es bei der VB Rissen zu
sehen, sondern auch einige junge Damen. Jene, die man schon am
Eingang kennen lernte und die sich doch tatsächlich als
Bordsteinschwalben entpuppten!
Anna Richter gibt ihre Kindergärtnerin Susanne ebenfalls sehr
charmant und liebenswert ab. Søren Steffens als Brasilianer ist mit
seinem Akzent und der Fähigkeit, sich seinen eigenen Namen merken
und aussprechen zu können, einfach muito bom (was laut Wörterbuch so
was wie „viel gut“ heißen soll). Doch auch alle anderen machen ihre
Sache einfach fabelhaft.
Sehr schön auch die Idee von Inszenator Rudi Schröder, einige
Ausflüglerinnen von der VBR in das Stück einzubauen und so ganz
geschickt etliche Spielerinnen mit auf die Bühne zu schicken.
Lediglich an der Choreographie bei den Liedern hätte man noch ein
klein wenig feilen, einiges eleganter lösen können. Aber das ist nur
eine Winzigkeit.
Sogar der Schluss, sprich: die Verbeugung war sehr gut
ausgearbeitet. Eine durch und durch runde Sache.
Gibt es also eine Bühne, die sich der Herausforderung eines
musikalischen Lustspiels stellen kann? Ja, die VB Rissen. Bei
solcher Qualität sollte es ein leichtes sein, auch die nächsten 50
Jahre ein volles Haus zu haben.
(Kritik in der "Bühne",
Verbandszeitung)
"Der grüne Papagei von Tante Mia..."
- 50 Jahre Volksspielbühne Rissen
Noch tagelang gehen einem die Melodien von „Foftein" durch den Kopf,
dem Musical, das die Volksspielbühne Rissen aus Anlass ihres
Jubiläums erneut aufführte. Vor einem begeisterten Publikum zeigten
die Schauspieler, weshalb sie eine so große Resonanz in Hamburg und
Umgebung haben und dass sie zu Recht zu den besten Bühnen der
niederdeutschen Sprache weit und breit gehören. 'Volksspielbühne' -
da mag so mancher an Klamauk und sehr einfach gestrickte Stücke
denken, und liegt damit vielfach daneben. Dem Musical „Foftein"
liegt zwar eine humorvoll-verwickelte Geschichte zugrunde, aber die
Art und Weise, wie sie von den Schauspielern präsentiert wurde,
verdiente großen Applaus. Spielfreude, Talent, schauspielerisches
Vermögen und eine flotte, mit Überraschungen garnierte Inszenierung
begeisterten das Publikum. „Das haben wir gar nicht gewusst, dass es
in Rissen ein so tolles Amateurtheater gibt", war von Blankeneser
Besuchern zu hören, „da kann sich so manche Profibühne verstecken!"
Es fängt schon mit dem Bühnenbild an. Mit Fantasie und viel
handwerklichem Können wurde eine Hafenszenerie gestaltet, die
problemlose Auftritte und Abgänge zuließ und auch das Geschehen
hinter den Kulissen einbezog. Akkordeonmusik als Begleitung zu den
vielen süffigen Melodien gehört ebenso zur Hafenatmosphäre wie
Möwengeschrei und Schiffssirenen. Die notwendige Beschallungsanlage
ist vorhanden, eine leistungsfähige Beleuchtung ebenfalls. Nur die
Bestuhlung muss noch verbessert werden. Auf der Bühne, vor den
Kulissen, da wird Schauspielfreude pur geboten. Über alle
Altersstufen hinweg sind alle Rollen mit - im positiven Sinne -
"Theaterverrückten" besetzt, deren Lust an der Darstellung sich
unmittelbar aufs Publikum überträgt. Ein hinreißendes Trio: Die
beiden jungen Schauspielerinnen (Samira Müller, Isabell Schumacher)
spielten mit Hingabe ihre Rolle als „leichte Mädchen" und Bootsmann
Janker (Henning Lutz) ließ sich von ihnen gern in die Mitte nehmen.
Christian Bauer gelang auch sein erster Gesangsauftritt glänzend.
Nachwuchssorgen kennt die Volksspielbühne Rissen e.V. nicht. In
Rissen und über Rissen hinaus sind sie „Kult". Bei „Foftein" konnte
man das wieder eindrucksvoll besichtigen. 'Alte Hasen' und junge
Nachwuchsschauspieler führten tolle Gesangs- und Tanznummern auf und
verführten das Publikum zu begeistertem Mitklatschen. Eine rundum
gelungene Vorstellung, die zu dem Besten gehört, was die
Volksspielbühne Rissen bisher auf die Bretter gebracht hat. Ruhig
zurücklehnen können sie sich jedoch nicht, denn es gibt ständig
etwas zu verbessern. Da ist sowohl bei der Lautsprecher- als auch
bei der Lichtanlage noch nicht der optimale Zustand erreicht, und
vor allem muss die Bestuhlung verbessert werden. Viele treue
Anhänger erscheinen regelmäßig mit ihrem eigenen Kissen. „Da können
leicht 35.000 Euro zusammenkommen, die wir in den nächsten Jahren
investieren müssen. Allein schaffen wir das nicht", betont Thorsten
Junge, der Vorsitzende des Bühnenvereins. Immerhin erhielt er am
Abend der Festveranstaltung von Helge Steinmetz von der Haspa die
Zusage, sich mit einem Betrag von 5.000,- Euro an den Kosten zu
beteiligen. Das allein reicht natürlich nicht, und so sind schon
weitere Ideen aufgetaucht wie bei spielsweise „Stuhlpatenschaften".
Hierbei übernimmt der Spender die Kosten für einen Stuhl. Die Stühle
sollen außerdem mit einem Anschluss für Hörgeschädigte versehen
werden, so dass selbst diejenigen, die nicht mehr so gut hören,
einen ungetrübten Genuss des Dargebotenen bekommen. Da die Stadt
Hamburg nicht die finanziellen Mittel aufbringen will, die Aula der
Schule Iserbarg zu einem voll funktionsfähigen Theaterraum
auszubauen, wird die Volksspielbühne es allein schultern müssen. „In
der Vergangenheit haben wir bei den Geschäftsleuten, vor allem den
Handwerksbetrieben, immer einen festen Rückhalt gefunden", bedankte
sich Thorsten Junge auf der Festveranstaltung, „sodass wir sicher
auch in der Zukunft mit ihrer Hilfe rechnen können."
(Rissener Rundschau)
Die Volksspielbühne Rissen wird 50
In unserer Ausgabe vom 21.9.05 hatten wir schon kurz auf das
50-jährige Jubiläum der Volksspielbühne Rissen in diesem Jahr
hingewiesen. Da der Verein „Volksspielbühne Rissen e.V." am 1. Mai
1955 gegründet worden war, werden seine Jubiläen normalerweise auch
im Frühjahr gefeiert.
In diesem Jahr ist das aber anders.
Da wurde im Frühjahr die Feier „750 Jahre Rissen" begangen, da am
29. April 1255 Rissen erstmals urkundlich erwähnt wird. Die
geschichtliche Quellenlage für Rissen ist lange Zeit spärlich.
Trotzdem konnte in der hervorragenden Festschrift „750 Jahre Rissen"
viel über die Geschichte unseres Ortes zusammengetragen werden.
Während für das Ortsjubiläum lediglich die Erwähnung des Namens
bekannt war, kennt man bei der „Volksspielbühne Rissen" natürlich
noch ganz genau die Gründungsmitglieder. Es waren der Friseur Walter
Brock, dessen Salon sich in der Wedeler Landstr. 8 befand, der
Bankkaufmann Gustav Felst und Bruno Weickert. Inzwischen ist die
„Volksspielbühne Rissen" weit über die Grenzen Hamburgs hinaus
bekannt und hat sich einen vorzüglichen Ruf als niederdeutsches
Theater erworben.
1958 traten die Mitglieder der „Volksspielbühne Rissen" erstmals mit
einer eigenen Produktion - dem Weihnachtsmärchen „Der Hasenhüter und
die Königstochter" - vor die Rissener Öffentlichkeit. Von da an
begann eine Erfolgsgeschichte, die bis heute ungebrochen anhält.
Nicht nur, dass das Publikum sich auf jede neue Inszenierung freut
und die Aufführungen zahlreich besucht - sehr häufig sind alle
Aufführungen ausgebucht - sondern, auch der Nachwuchs versiegt
offenbar nie.
Dieses Phänomen, dass es neben den erwachsenen Spielern noch die
„Nesthocker" und „Bühnenspatzen" gibt, erklärt auch, warum es so
viele lang anhaltende „Karrieren" von Schauspielern gibt. Viele
entdecken neben der Schauspielerei die Lust am Inszenieren und
treten mit ihren Produktionen vor das Publikum oder es bilden sich
Darsteller-Traditionen von den Großeltern über die Eltern bis
inzwischen hin zu den Enkeln. Die Namen Junge, Lettermann oder Wieck
tauchen dabei in verschiedenen Altersstufen immer wieder auf.
Regelrechte „Legenden" sind bzw. waren Herta Mutschink, Egbert und
Hilma Wieck, Elfi Bergel, Rudi Schröder, Heiner Tewes. Neben den
schauspielerischen Leistungen sorgen die jedesmal überraschend
fantasievoll gestalteten Bühnenbilder für Aufsehen. Dahinter steckt
eine beachtenswerte handwerkliche und logistische Leistung, und das
schon über viele Jahre. Hinzu kommt eine Beleuchtungstechnik, wie
sie mancher professionellen Bühne gut zu Gesicht stünde. Alles ist
über einen langen Zeitraum gewachsen, finanziert durch die
Mitgliedsbeiträge und in zunehmendem Maße über die Einnahmen aus den
Aufführungen. Nicht zu vergessen sind natürlich auch die vielen
Sponsorenbeträge, die die Haspa und die Rissener Firmen „ihrer"
Volksspielbühne immer wieder zukommen lassen. Elke Lustig aus Wedel
steht mit ihrem Kostümverleih für authentische, der jeweiligen
Situation und Zeit angemessene Kleidung zur Verfügung.
Im traditionellen Spielort, der Aula der Schule Iserbarg, hat die
„Volksspielbühne Rissen" einen Saal zur Verfügung, der über 200
Zuschauern und der Sektbar Platz bietet. Diese Sektbar, eine
Errungenschaft der letzten zehn Jahre, ist das große
Kommunikationscenter Rissens geworden. Rissen, das so stolz auf
seine dörfliche Vergangenheit ist, zelebriert nach den Vorstellungen
den Dorfklatsch in Vollendung. Die Zeit, in der im Anschluss daran
handgreifliche Auseinandersetzungen die Regel waren, ist allerdings
schon lange vorbei. Dennoch, das an der Sektbar Besprochene findet
oftmals auf wundersame Weise doch seinen Weg in die
„Dorföffentlichkeit" und erzielt nach wie vor eine gewisse
subversive Wirkung. Ernst gemeint ist jedoch gar nichts, es geht
einfach um den Spaß an der Freud.
Bei der „Volksspielbühne Rissen" trifft man vielfach Menschen, die
sich anderweitig engagieren, z.B. der Freiwilligen Feuerwehr oder im
Bürgerverein. Diese Verankerung in Rissen wird ergänzt durch Freunde
von außerhalb, auch über die Kontakte zu anderen niederdeutschen
Bühnen hinaus. Von Blankenese bis Altona gibt es eine feste
Fangemeinde, die, ebenso wie viele Wedeler und Gäste aus der Marsch,
dreimal im Jahr nach Rissen pilgern und das Frühjahrs- und das
Herbststück sowie das Weihnachtsmärchen besuchen. Zum 50-jährigen
Bühnenjubiläum wird das Stück „Fof-tein" aufgeführt, das bisher
erfolgreichste Musical aus der Bühnengeschichte. Das musikalische
Lustspiel von Hermann Bruhn wird von Rudi Schröder, der seinen
80sten Geburtstag feiert, inszeniert. Die Musikarrangements hat Frau
Bresch von der Musikschule Wedel komplett überarbeitet.
Das Stück spielt im Hafenmilieu mit seinen Hafenarbeitern,
Seeleuten, Fischfrauen und natürlich den Mädels aus dem
Rotlichtbezirk. Eine wichtige Rolle spielt Stauervize Kuddel mit
seinem ererbten Papagei. Die können bekanntlich sprechen und melden
sich oft zum völlig falschen Zeitpunkt zu Wort. Das ist auch in
diesem Stück so und sorgt oftmals für
nicht geringe Verwirrung. Eine Besonderheit bei den Aufführungen der
Volksspielbühne ist die sogenannte „Verständnis-Garantie". Wer die
plattdeutschen Dialoge nicht verstanden hat, darf noch einmal üben -
kostenlos. Bisher ist das aber noch nicht oft in Anspruch genommen
worden.
(Rissener Rundschau)
Szenen-Fotos
Anna Richter - Thorsten Junge
Heiner Heintzsch - Thorsten Junge -
Christian Bauer