Sie sind schon ein kerniges
Geschwisterpaar, Mine und Tine, Witwen und Erben des stattlichen
Lindenhofes. Beide Dickschädel und dennoch voller Gegensätze: Mine
eher mütterlich, einlenkend, Tine zickig und kompromisslos. Als sich
auch noch Lorenz, Mines Sohn, und Antje, Tines Tochter, ineinander
verlieben (ausgerechnet!), rauscht es gewaltig in den Linden, die
dem Hof seinen Namen gaben. Und dann sind da noch die Großmagd
Fieken und der Großknecht Jehann, die es mit ihrer Herrschaft weiß
Gott nicht einfach haben und vorerst auch nicht zu Pott kommen. Wer
aber hätte gedacht, dass die grantige Tine lichterloh für den
Handelsvertreter Paul Grassmeier entbrennt, dessen Absichten
eindeutig aufs Materielle zielen?!
Presse
Mine Tante - Tine Tante
Aufführung der V.B. Rissen am 6.11.1977
Eine Fahrt nach Rissen lohnt sich
immer. - Garantiert werden: herzlicher Empfang, freundliche
Atmosphäre vor und nach der Aufführung, die Möglichkeit, sich
während der Pause an Getränken zu erfrischen, erstklassige
Information durch ein Programm (kostenlos), das hervorragend
aufgebaut ist, und nicht zuletzt, gutes Spiel. Bei all diesen
Annehmlichkeiten nimmt man das harte, rutschige Gestühl gern in
Kauf. Eine kleine Extrawurst (Kissen), überreicht durch Lisa
Schröder, macht mich immer ein bißchen verlegen. Ich sitze jetzt
weich, aber das Rutschen verhindert auch das Kissen nicht.
Doch nun zum Spiel: Erster Applaus für die Souffleuse (Christel
Tewes), die zu ihrem "Kasten" geleitet wird, der vor der Bühnenrampe
steht.
Zweiter Applaus für ein hübsches, milieugerechtes Bühnenbild, belebt
durch einen herrlichen, viel Tiefe vermittelnden Prospekt. Es
zeichnen verantwortlich: Alfred Bergel, Uwe Fischbeck und Jonny
Teich. - Eine Inhaltsangabe des Lustspiels von Erhard Asmus erspare
ich mir. Ich möchte mich lieber den Darstellern widmen. Voran Mine
Tante (Elfriede Bergel), Witwe und Miterbin des Lindenhofes, ein
mütterlicher, ruhiger, ausgleichender Charakter, der aber nicht
ausschließt, auch einmal mit Maßen energisch zu werden. Elfriede
Bergel hat diesen Typ genau getroffen und überzeugend dargestellt.
Ihre trocken abgeschlossenen Pointen ernteten viel Lachen und
Applaus. Im Gegensatz dazu Herta Mutschink als Tine Tante, Mines
Schwester, ebenfalls Witwe und Miterbin des Lindenhofes, allerdings
"hochgeboren", herrschsüchtig und gebieterisch, was wiederum nicht
ausschließt, daß sie sich - durch Komplimente junggejubelt - in den
aalglatten, auf ihr Geld schielenden, Handelsvertreter Grassmeier
verliebt. Auch Herta Mutschink hat mich als Typ und Darstellerin in
den Grundzügen überzeugt, wenn auch Routine und Ausgeschliffenheit
fehlten; dafür hatte sie den schwierigeren Part zu spielen.
In Jürgen Wingberg (Lorenz), Silke Lorenzen (Antje) und Sabine
Mutschink (Rieke) präsentierte sich der talentierte Nachwuchs der
V.B. Rissen. Jürgen Wingberg in seiner unaufdringlichen,
überzeugenden Art, Silke Lorenzen (ihre Gymnastikeinlage war eine
Augenweide) als freches, natürliches Mädchen und Sabine Mutschink,
die sich als Kleinmagd wohl zu wehren verstand, wußten zu gefallen.
Stimmlich werden sich diese Darsteller allerdings noch verbessern
müssen (Aufgabe der Spielleiter).
Günter Schramme (Paul Grassmeier, Handelsvertreter) war vom Talent
her keine Fehlbesetzung, doch aus dieser dankbaren Rolle war viel
mehr herauszuholen. Schauspielkunst heißt: sich in jeden gewünschten
Typ verwandeln zu können.
Kommen wir zu den sogenannten
Paraderollen. An Annelie Lettermann (Fieken, Großmagd) lag es nicht,
daß diese Rolle nicht zu einem Höhepunkt wurde. Wenn man eine
Darstellerin so gede...hnt doof sprechen läßt, muß man sich nicht
wundern, wenn die mögliche Wirkung ausbleibt. Daß sie mitunter zu
verdientem Szenenapplaus kam, lag daran, daß sie manchmal aus diesem
Schema ausbrach und die Rolle so sprach, wie sie hätte gesprochen
werden müssen. Sie erreichte damit einen guten Gesamteindruck.
Egbert Wieck (Jehann, Großknecht) war allein das Eintrittsgeld wert.
Was dieser Darsteller an Mimik, Gestik und Bewegungsspiel auf die
Bühne bringt, ist einfach köstlich. Die Spielleiter mögen sich
trösten, wenn sie dieses Vollblut nicht bremsen können, denn ER
kommt an. Und was wichtig ist, ein Komödiant. Raten Sie mal, was mir
lieber ist.
Spielleiter Heiner Tewes hat viel Mühe und Kleinarbeit aufgewandt.
Das Stellungsspiel war gut ausgearbeitet, jeder Winkel der Bühne
wurde ausgenutzt. Ich hätte mir allerdings etwas mehr Esprit
gewünscht. Ausspielen gut und schön, aber nicht auf Kosten des
Tempos. Herzlichen Dank für den netten Abend.
(Verbandskritiker Gerd Röhrig)
Es fehlen noch jugendliche Liebhaber
Rissen. Ein Riesenerfolg wurde die Aufführung des niederdeutschen
Lustspiels „Mine Tante — Tine Tante" durch die Volksspielbühne
Rissen. In dem „lustig Spill in dree Törns" von Erhard Asmus sind
die Schwestern Mine und Tine, gemeinsame Erben des Lindenhofes,
hoffnungslos zerstritten. Mines Sohn Lorenz und Tines angenommene
Tochter Antje verlieben sich natürlich prompt ineinander. Daß die
beiden sich kriegen, haben sie Mine und Tine zu verdanken.
Neben den Hauptdarstellern Elfriede Bergel (Mine), Herta Mutschink
(Tine), Silke Lorenzen (Antje) und Jürgen Wingberg (Lorenz)
begeisterten vor allem auch Annelie Lettermann als Großmagd Fieken
und Egbert Wieck als Großknecht Jehann das Publikum.
Trotz der guten Einnahmen an fünf Spieltagen in der Aula der Schule
am Iserbarg plagt die 1955 gegründete Rissener Volksspielbühne eine
Sorge. Es fehlt ihr nämlich an Nachwuchsdarstellern, speziell an
jugendlichen Liebhabern.