En Stück ut'n Dullhuus:
En Geschicht üm twee öllerhaftige Süstern. Se leevt ganz staatsch un
propper in Altona in en ole Villa, de se vun ehrn Vadder arft hebbt.
So af un an stoht se mit de Moral so'n beten verdwars. Ok de dree
Jungs vun ehrn Broder sünd in'n Kopp nich all ganz in'e Reeg...
Presse
Arsenik un ole Spitzen
Als "Arsen und Spitzenhäubchen" ist diese hochdeutsche
Erfolgskriminalkomödie wohl an keinem Theater- oder auch Kinogänger
vorbeigegangen. Cary Grant und Peter Lorre sind von der Filmfassung
noch gut in Erinnerung wie im Foyer mehrmals zu hören war, und wer
selbst einmal den Jonathan gespielt hat, kann sich eine
verplattdeutschte Bühnenfassung dieses Evergreens kaum vorstellen.
All meinen Vorurteilen gegen solche Übersetzungen zum Trotz, Konrad
Hansen hat mit seiner Übertragung, nein, seiner Nachdichtung, und
Rudi SCHRÖDER mit seiner Bearbeitung bei der Inszenierung ein neues
Stück geschaffen, bei dem die Atmosphäre, die Sprache und selbst der
Zeitgeist stimmt. Die nach Altona in das vom Großvater ererbte Haus
verlegte, um 1925 spielende Handlung lief in stilgerechter, mit
vielen liebevoll ausgewählten Details angereicherter Dekoration so
stimmig ab, dass man sich in Großvaters Zeit versetzt fühlte, und
sich nicht gewundert haben würde, wäre Kaiser Willem Zwei leibhaftig
erschienen, um seiner ausgezeichneten Karikatur zu erklären, wer der
Echte sei.
Wenn der mit seinem "Attacke"-Schrei die Treppe hinaufstürmte,
spürte man ihn auch noch die Stufen erklimmen, wo man ihn nicht mehr
sah, wohl wissend, dass es dort keine Treppe gibt. Vom zu hoch
montierten Wandtelefon der Zeit, in das man, weil über dem Mobiliar
fast unerreichbar, nur hineinbrüllen konnte, bis zu den Leuchtern,
deren echte Kerzen nach einem längeren Zeitsprung entsprechend weit
heruntergebrannt waren; von der nach Holland mitgenommenen Axt bis
zur Größe der Fenster-Truhe, in die Dr. Einstein in einem herrlichen
Slapstick-Gag hineinfällt, stimmte einfach alles. Die von Elke
LUSTIG stilsicher eingesetzten Kostüme und Uniformen zeugten von
profundem Wissen über die Kostümkunde der Zeit. Rudi SCHRÖDER hatte
den Text von etlichen Längen und einiger Unlogik befreit. Die von
ihm einfühlsam mit kräftigen Strichen gezeichneten Charaktere
zeigten urwüchsige Situationskomik; er ließ sie ihre Textpointen
sehr gut verkaufen. Als die beiden gängige Moralbegriffe
missdeutenden Schwestern Abelke und Martha brillierten Hertha
MUTSCHINK und Lisa SCHRÖDER in wie für sie geschriebenen Rollen. Da
blieb kein Auge trocken, wenn Martha über die Bühne trippelte, wenn
ihr aus listigen Schalkäuglein blinzelnd die Freude am nächsten
"Werk der Barmherzigkeit" schon aus allen Knopflöchern sprang, und
Abelke ihr in naiver Schlitzohrigkeit nichts nachgab.
Ihren Neffen Wilhelm, der sich einbildet, Kaiser Wilhelm zu sein,
gab Thorsten JUNGE als liebenswerten, von den Tanten missbrauchten
harmlosen Spinner mit genau der Spur Übertreibung, die seine Rolle
umwerfend komisch macht, ohne dabei in die Lächerlichkeit
abzugleiten. Den anderen spinnerten Neffen Jonas spielte Heiner
HEINTZSCH durchaus überzeugend aus, doch hätte ich ihn gern noch
etwas bösartiger gehabt. Als dritter Neffe Martin, vernünftig und
normal wirkender, aber doch ziemlich skurriler Theaterkritiker,
spielte Henning LUTZ in seinen Szenen alle anderen an die Wand. Wie
er körpersprachlich und verbal, nur durch ein knurrend hingeworfenes
Wort oder eine Geste die Szene beherrschte, wie er mit dem fast
unerreichbaren Telefon kämpfte und ohne Übertreibung das Publikum
glauben machte, selbst auch vom Erbgut der Familie partizipiert zu
haben, wies ihn als einen hervorragenden Darsteller aus. Søren
STEFFENS brachte als chinesischer Dr. Einstein mit Zopf und L statt
R eine ungewöhnliche, aber sehr interessante Variante der
Darstellung, die gleichzeitig seine hochdeutsche Sprache
rechtfertigte. Mit starkem Einsatz und ständiger Präsenz fügten sich
in unergiebigen, aber wichtigen Nebenrollen als die drei Polizisten
Andreas PRIESS, Dirk STEFFENS und Hanns WIECK, und als Göbel Rolf
GUNIA homogen in das Ensemble ein. Als Pastorentochter und liebende
Heiratskandidatin Ellen überzeugte Ariane KORDUAN, ihren Vater
gestaltete Heiner TEWES gekonnt als den seriösen, etwas
salbungsvollen Pastor. Dass die ausgezeichnet dargestellte Figur des
selbst mit kleinem Tick behafteten Herrn Grünspan, Direktor des
Heimes für übergeschnappte Kaiser, ebenfalls Heiner TEWES war, habe
selbst ich erst beim Blick in das Programmheft bemerkt. Der Beifall
wollte nicht enden, das Publikum war von dieser großartigen
fünfzigsten Inszenierung von Rudi SCHRÖDER ebenso begeistert wie
Gert Krause. (Verbandskritiker Gert Krause)
Der
letzte Vorhang fiel für einen fröhlichen, lebensbejahenden Menschen
viel zu früh.
Für unsere langjährige Bühnenmeisterin Ellinor Rother schloss sich
der Kreis des Lebens im Mai dieses Jahres.
Dreimal jährlich rauschte sie mit Schwung und Elan an die Fertigung
unserer Bühnenbilder. Ihr erster Kommentar bei der
Bühnenbildbesprechung war meistens:
"Det jeht nich!"
Aber wenn diese Worte kamen, wussten wir alle, es wird wieder ein
liebevoll gestaltetes Bühnenbild entstehen. Ellinor wird uns allen
sehr fehlen: Hinter der Bühne, unter der Bühne, neben der Bühne -
überall!
Die VB Rissen möchte ihr auf diesem Wege ein herzliches letztes
DANKESCHÖN für alles sagen.
Im Namen der VBR / Annelie Lettermann (1. Vorsitzende)