Dr. Vahlefeldt und seine Tochter Lisa
haben es zu Anfang schwer, als sie die Landarztpraxis des
verstorbenen Onkel Willem übernehmen. Mit zum Inventar gehört auch
Anna Michels, eine resolute, beherzte Seele, die das Ruder fest in
der Hand hat. Schon bald wird sie zum Mittelsmann zwischen
Dorfbewohnern und dem neuen Doktor. Diesem fällt es schwer, sich an
seine Patienten zu gewöhnen, die mit ihren kranken Hunden ebenso zu
ihm kommen, wie mit täglich neuen, nicht immer ernst zu nehmenden
Wehwehchen. Zu guter letzt soll er auch noch Schicksal spielen,
damit Hannes Kruse und Gretchen Helmers, gegen den Willen ihres
Onkels, ein Paar werden. Das ist zuviel für einen Schulmediziner!
Ebenso unbegreiflich ist es, dass die sonst so sachliche Lisa sich
prompt in den ländlichen Casanova Jochen Petersen verliebt, der nach
einem Sturz vom Pferd schwer verletzt in die Praxis gebracht wird.
Ob sie ihn wohl zähmen kann? Tja, wenn Dr. Vahlefeldt in Wümmersdorf
alt werden will, wird er sich gewiss umstellen müssen. Doch sei
versichert, dass alles nach "Willem sien Willen" geschieht. dafür
wird Anna schon sorgen.
De Autorin
In Rom gab es für Ina Nicolai im
Jahre 1956 den ersten Kontakt mit der Filmbranche. In der Folge kam
es zu ihren ersten schriftstellerischen Arbeiten auf dramatischem
Gebiet zu Drehbuchübersetzungen. Seit 1967 lebte Ina Nicolai in
München. Auch hier hat sie als Dramaturgin und Übersetzerin für den
Film gearbeitet. Und hier begann sie, selbständig für Hörfunk und
Fernsehen zu schreiben. Im April 1975 wurde ihr erstes Bühnenstück,
das Lustspiel "Unser Problem heißt Mama", vom "Berliner
Volkstheater" mit beachtlichem Erfolg uraufgeführt. Mit dem
Lustspiel "Willem sien Willen", das sie von Anfang an für das
"Ohnsorg-Theater" konzipierte, erlebt die Bühnenautorin Ina Nicolai
ihre zweite Uraufführung.
Presse
Kritik zu "Willem sien Willen" (VB
Rissen)
In diesem Frühjahr spielte die VB Rissen das niederdeutsche
Lustspiel "Willem sien Willen" von Ina Nicolai. - Dr. Vahlefeldt und
seine Tochter Lisa übernehmen die Arztpraxis ihres verstorbenen
Onkels Willem. Es fällt den beiden recht schwer, sich an das
ländliche und ihnen unbekannte Leben auf dem Lande zu gewöhnen. Zum
Glück gibt's da aber noch Anna, die "gute Seele" des verstorbenen
Arztes. Ihr gelingt es am Ende, wie es bei plattdeutschen Stücken
meist üblich ist, die anfänglichen Probleme zu beseitigen und auch
noch Heiratsvermittler zu spielen.
Unter der Spielleitung von Annelie Lettermann klappte alles "wie am
Schnürchen". Die ständig anwesenden Scheinpatienten Meta Klanke
(Bianca Seeburg) und Theodor Vennekohl (Rudi Schröder) sorgten für
so manchen Lacher. Die Mimik und Gestik der zwei gefiel mir
besonders gut, ebenso die natürliche Art der Anna Michels (Lisa
Schröder). Wer sehr viel aus seiner kleinen Rolle herausgeholt hat,
war der Bauer Willy Huusmann (Günter Schramme), dem man den Landwirt
wirklich abnahm. Lisa, die Tochter des Arztes (Ursula Rust) schien
mir nicht ganz passend für die Rolle, auf der einen Seite war sie zu
alt bzw. war ihr Vater zu jung, auf der anderen Seite wirkte sie zu
unnatürlich. Ihr Vater, der Arzt Dr. Vahlefeldt (Karl-Heinz Wedde)
machte einen blassen Eindruck, was allerdings an der Rolle lag. Die
temperamentvolle Mine Klasen (Heidemarie Wedde) wurde ihrer Rolle
als eifersüchtige und sehr modebewußte Person gerecht. - Jochen
(Jürgen Wingberg), Hannes (Thorsten Junge) und sein Gretchen (Nicole
Duddeck) spielten ihre, für das Stück zwar wichtigen, aber dennoch
kleinen Rollen gut. Besonders niedlich fand ich den Hund Trempes. (Pedi Steffrevell)
Anm. der Redaktion: Der
Verfasser bzw. die Verfasserin (oder beide) scheinen für die
Unterschrift ein Pseudonym oder einen "Künstlernamen" verwendet zu
haben, was wir messerscharf aus der Tatsache schließen, daß es im
Originaltext z.B. "...gefiel uns ..." oder "...fanden wir..." heißt.
Willem sien Willen
Die VB Rissen spielte das Lustspiel 'Willem sien Willen' von Ina
Nicolai. Dieses Stück spielt in einer Landarztpraxis und behandelt
alle die Zipperlein und kleinen Probleme, die sich in einem Dorf
abspielen. Das Faktotum des Stückes Anna Michels (Lisa Schröder)
verstand es, die Fäden in die Hand zu nehmen. Sie wußte immer Rat,
wie man den kleinen und großen Wehwehchen ihrer Patienten beikommen
konnte, natürlich ganz nach 'Willem sienen Willen'. Dr. Jan
Vahlefeldt (Karl Heinz Wedde) und seine Tochter Lisa (Ursula Rust)
mußten sich auch erst an diese neue Arbeitsmethode gewöhnen. Daß man
sich als Landarzt auch um Hunde kümmern muß, war ihm neu. Ja, sogar
eine geplante Verlobung - Geld zu Geld - die der Bauer Willi
Huusmann (Günter Schramme) unbedingt will, wird von ihnen
eliminiert. Schließlich muß der Liebe nachgeholfen werden, daß die
Nichte Gretchen Hellmer den Freund, den sie wirklich liebt, auch
bekommt. Daß sich so nebenbei auch die Tochter Lisa verliebt und das
ausgerechnet in den Weiberhelden des Dorfes, ist fast alltägliche
Kost und man braucht gar nicht zu erwähnen, daß Lisa ihn endlich
zähmt. Auch die Witwe Mine Klasen (Heidemarie Wedde), die mit aller
Macht versucht den neuen Doktor unter ihre Fittiche zu bekommen,
gehört zum Dorfklatsch.
Wie gut, daß es auch noch Kranke gibt, natürlich "Eingebildete
Kranke", die an jeder Ecke ein Ziepen und Reißen verspüren und an
und für sich nur eine Aufgabe zum Leben brauchen. Diese Thematik des
Stückes wurde gekonnt dargestellt und dem Publikum vermittelt. Der
korrekte Arzt, der zuerst mit den Gegebenheiten nicht fertig wird,
später aber einsieht, daß seine Praxis so doch besser läuft, wenn
man auch mal Schicksal spielt. Der Tochter Lisa nahm man allerdings
ihre Rolle nicht so ganz ab. Hier fehlte der jugendliche Elan und
die natürliche Frische eines Twens. Allein das Wort "Pappi" kam
immer wie ein Fremdwort über die Lippen. Mit Günter Schramme kam
jedesmal Landluft auf die Bühne. Er verkörperte den Bauern mit Haut
und Seele. Man hatte das Gefühl, daß in seinem Windschatten Schweine
und Kühe auf die Bühne kommen würden.
Heidemarie führte gekonnt ihre Männerfang-Modenschau vor, so recht
nach dem Geschmack der Leute.
Was die beiden Hypochonder (Bianca Seeburg und Rudi Schröder) auf
der Bühne zeigten, war allein das Kommen nach Rissen wert. Je länger
man denen zusah, je mehr Ziepen hatte man selbst. Ein gelungener
Abend, was durch den langanhaltenden Beifall des Publikums gewürdigt
wurde. (Verbandskritiker Joachim Grabbe)
VOLKSSPIELBÜHNE RISSEN
Eine Arztpraxis ist keine Hafenkneipe und auch kein Bauernhof, wo
urwüchsiges Platt zuhause ist, sondern ein steriler Ort, an dem sich
Humor nur selten einschleicht. Daran krankte das ganze Stück:
"Willem sien Willen".
So mußte die Autorin zwei ältere Leute in die Szene bringen, die
ihren täglichen Klönschnack in eben diesen Raum verlegten und für
eine gewisse Auflockerung der steifen Umgebung sorgten.
Hier fehlte der ständige Wechsel von Spannung, Komik und rustikaler
Umgebung, das Ungezwungene, das urwüchsig Derbe, das dem
Plattdeutschen so eigen ist. Die Arztpraxis konnte das nicht
aufkommen lassen.
Wenn dann noch die stocksteife Rolle eines jungen Stadtarztes
festgeschrieben war, so war es wohl hauptsächlich das Verdienst der
Schauspieler, daß doch noch herzhaft gelacht werden konnte.
Die wohl schwierigste Rolle hatte Lisa Schröder als
Sprechstundenhilfe des verstorbenen Landarztes Willem. Ihre
Mittlerrolle zwischen dem Stadtmenschen Dr. Jan Vahlefeld und den
Dorfbewohnern erforderte viel Einfühlungsvermögen und eine gute
Portion Herz. So war es für alle Schauspieler aufgrund der ihnen
zugedachten Rollen nicht einfach, das Publikum zu erheitern - aber
sie haben es geschafft. Wie seit Jahren bei der VB Rissen üblich,
war das Haus wieder bis auf den letzten Platz gefüllt.
Annelie Lettermann als Spielleiterin, vielleicht auch als diejenige,
die das Stück zur Frühjahrsaufführung auserwählte, sei gewünscht,
daß ihr künftig wieder milieugerechtere und urwüchsigere Stücke zur
Verfügung stehen mögen - es würde ihr ihre Aufgabe sehr erleichtern.
Man merkte es diesem Stück an, daß es nicht fürs Plattdeutsche
geschrieben wurde. Die Autorin Ina Nicolai ist sich dessen auch voll
bewußt. Sie schreibt: "Ich hatte den Umfang, die Eigenständigkeit,
die Feinheiten dieser Sprache bei der Formulierung meiner Dialoge
mit Sicherheit unterschätzt - Platt verstehen und schreiben können,
das kann bisweilen sehr weit auseinander liegen. Ich bin deswegen
nicht entmutigt oder traurig."
Nun, das wäre auch nicht im Sinne des Schreibers dieser Zeilen - im
Gegenteil, er will darauf hinweisen, daß auch noch nicht einmal die
"profunde Kenntnis der plattdeutschen Sprache" durch einen
Bearbeiter genügt, ein solides plattdeutsches Stück auf die Bühne zu
bringen, sondern, daß auch entsprechendes niederdeutsches Milieu
aufgebaut werden muß, damit alles nahtlos zueinander paßt.
Ina Nicolai ist mutig. In Karlsruhe geboren, in München zuhause,
empfindet sie Norddeutschland, eben aufgrund des
urwüchsig-originellen Menschenschlages, als ihre eigentliche Heimat.
Nehmen wir sie also auf in unsere Reihen, machen wir ihr Mut zum
Schreiben - plattdeutsche Stücke kann es für uns nicht genug geben!
Die Feinheiten unserer Heimatsprache allerdings können nur wenige
Norddeutsche bühnenreif zu Papier bringen - denn Platt ist nicht
gleich Platt: Es gibt sooo viele Varianten (Hadelner, Mecklenburger,
Hamburger, Holsteiner etc. pp.) - richtig schreiben kann es deshalb
wohl auch keiner!