"Wer kennt sie nicht, die wortkargen,
breitschultrigen und trinkfesten Männer mit ihren von Wind und
Salzwasser gegerbten Gesichtern, die, wo immer sie sich ins bunte
Badeleben mischen, ein Hauch von Ferne und Abenteuer umweht. Sie
gehören nun mal dazu wie fließend kalt und warm Wasser und der
garantiert (von Hotelpalästen versperrte) freie Blick aufs Meer.
Wenn der Binnenländer seinen nächsten Urlaub an der See bucht, bucht
er sie mit, und mancher würde lieber auf den Landsmann aus
Wanne-Eickel in der Nachbarburg verzichten als auf jene kernigen
Gestalten mit dunkelblauem Rollkragenpullover und Schirmmütze, deren
Schweigsamkeit so sprichwörtlich ist, dass ein zwischen den
tabaksaftgebräunten Zähnen hindurchgequetschtes "Prost" das äußerste
an Mitteilsamkeit ist, was man ihnen zubilligt. Natürlich gab es sie
schon, lange bevor Hans Albers und Freddy Quinn die spezifischen
Eigenschaften des Seemannsherzens vorwiegend mit Gesang unters Volk
brachten, aber erst der auf Romantik getrimmte Shanty (als
"Seemannslied" inzwischen sogar im bayerischen Wald populär) hat den
männlichen Küstenbewohnern ihr gewisses Etwas gegeben. Und wenn das
Stichwort "In jedem Hafen eine andere Braut" fällt, dann zwinkert
der Salzwasser-Casanova vielversprechend - selbst dann, wenn er den
heimatlichen Leuchtturm sein Leben lang nicht aus den Augen verloren
hat. Erwartungen, zumal wenn sie von Badegästen weiblichen
Geschlechts gehegt werden, sind dazu da, dass sie erfüllt werden.
Einmal schmeichelt das der männlichen Eitelkeit - wer sähe sich
nicht gern mit den nimmersatten Helden der Seemannslieder über einen
Kamm geschoren? - und zum anderen belebt ein guter Service
erfahrungsgemäß das Geschäft. (Und wenn es sich nur - aber was heißt
"nur"? - um einen anerkennenden Blick aus kundigen Seemannsaugen
handelt.)
In der Familie Lührs, mit der ich Sie
in diesem Stück bekannt machen möchte, hat die oben beschriebene Art
von "Kundendienst" Tradition. Zwar gab es in der Art, wie sie den
Erwartungen der Badegäste gerecht wurden, von Jonny zu Jonny
geringfügige Unterschiede (und so ist es bis auf den heutigen Tag
geblieben), aber alles in allem hat sich kein Jonny Lührs je
erkühnt, mit der Familientradition zu brechen. Wozu auch, da in
diesem Fall Tradition und Allzumenschliches aufs schönste
miteinander in Einklang gebracht werden konnten? Jeder echte Mann,
auch, wenn er kein Küstenbewohner und demzufolge nicht zur Wahrung
derartiger Traditionen verpflichtet ist, wird die Enttäuschung von
Opa und Vater Lührs nachempfinden können, als diese eines Tages
erkennen müssen, dass der Enkel und Sohn - auch er ein Jonny und von
der Natur mit allen notwendigen Vorzügen ausgestattet - schlicht
gesagt aus der Art geschlagen ist. Nicht, dass er prinzipiell etwas
gegen Tradition und das sogenannte zarte Geschlecht hätte, aber er
weigert sich beharrlich zu hören, was mit einem etwas aus der Mode
gekommenen Wort "die Stimme des Blutes" genannt wird. Versteht sich,
dass dieser bedenkliche Mangel an Lührsschem Erbgut Opa und Vater um
die Zukunft der Familientradition bangen lässt. Wird das Bild des
Vaters das letzte in der stattlichen Ahnengalerie sein? Oder bedarf
es nur des richtigen Anstoßes, um Jonny den Enkel auf den Pfad der
Tradition zu bringen? Bitte, nehmen Sie die Sache nicht auf die
leichte Schulter. Schließlich geht es um etwas so Hehres wie
Tradition. Und Traditschoon mutt Traditschoon blieven. Oder etwa
nicht?" (Der Autor Konrad Hansen)
Presse
Die VB Rissen brachte als
Frühjahrsstück "Jonny de Drütte" von Konrad Hansen. Ich besuchte die
Sonnabend-Aufführung am 8.4.78 und sage schon gleich zu Beginn, daß
wir (meine Frau war auch dabei) mit dem Gebotenen ausnehmend
zufrieden waren. Dabei hatte Rudi Schröder als Spielleiter allerlei
gewagt: Nicht weniger als 5 Debütanten hatte er eingesetzt, war das
vielleicht kein Wagnis? Natürlich kamen Schnitzer vor, aber ich habe
nicht die Absicht, auch nur einen zu erwähnen. "Kritik soll helfen,
nicht verletzen", an diese klugen Worte will ich mich halten. -
Ich sage also offen Ja zu dieser Aufführung und will die Schwächen
liebevoll draußen lassen, weil ich weiß, daß unser Rudi Schröder
ganz sicher seine jungen Freunde hinterher noch ins Gebet genommen
haben wird: freundlich, taktvoll, helfend. Wer alles mit der Schärfe
des Seziermessers analysieren will, dazu unter dem Motto: "Für mein
Geld will ich richtiges Theater sehen", ist ein Kunstbanause, bar
jeglichen Idealismus'. Würden wir dem nachgeben, woher käme dann der
Nachwuchs? Die Volksbühnenkunst würde an Auszehrung eingehen! Also
lieber Rudi: mach weiter solche Experimente, Du warst gut beraten! -
Zum Stück: (Und nun lasse ich erst einmal Bärbel Fischbeck sprechen)
Fangen wir beim Nestor an: Opa Lührs - noch mit 72 scharf auf
"knackiges Gemüse" - alias Egbert Wieck. Diese Bombenrolle ist die
26. seit seiner "Entdeckung" 1964! Wie er selbst zugibt, machen ihm
die Rollen am meisten Spaß, bei denen er den Erzkomödianten
hervorkehren kann. Eine Rezensentin schrieb einmal: "Ein Urviech auf
der Bühne". Wenn auch der Spielleiter sich manchmal wünscht, Egbert
Wieck möge "seinem Affen nicht zu viel Zucker geben", der große
Erfolg beim Publikum gibt ihm immer wieder recht.
Jonny Lührs, den "Zweiten" getreu dem Grundsatz... was Du ererbt von
Deinen Vätern... und stolz auf die stattliche Lührs'sche
Ahnengalerie blickend, spielt Günter Schramme, seit 1971 mit Frau im
Verein aktiv.
Jonny Lührs, de Drütte, nach Meinung und zum Leidwesen von Opa und
Vater völlig aus der Art geschlagen, spielte Thorsten Junge,
Nachwuchs aus der Kinder-Theatergruppe der VBR (Leiterin: Herta
Mutschink), von Anfang an dabei wie übrigens auch seine Partnerin
Sabine Mutschink.
Soweit Bärbel Fischbeck. - Eine Oma gibt es nicht, wohl aber hat
Jonny II eine Frau, nämlich Hilma Wieck. Überhaupt, ohne die Wiecks
wäre nichts gegangen, sie tauchten an allen Enden auf.
Ich will mich kurz fassen. Opa und Vater glauben, mit dem "Drütten"
hätten sie Pech gehabt. Tatsächlich geht er allem Weiblichen weit
aus dem Wege. Aber er hat die Rechnung ohne das Mädchen Antje
gemacht (Sabine Mutschink), die ein Auge auf den 3. Jonny geworfen
hat und seine jungenhafte Scheu mit weiblichem Reiz und Charme
überwindet (für diese Szene ein gesondertes "Bravo", Sabine!). Daß
Opa, also Egbert Wieck, in dieser Rolle ordentlich "aufdrehen"
konnte, und das mit Recht, gab der ganzen Aufführung Halt. Günter
Schramme als Jonny de Twete mußte sich Mühe geben, um mithalten zu
können. Thorsten Junge, also de Drütte, machte seine Sache
beachtlich gut; mach weiter so, Thorsten! - Ich kann nicht alle
nennen, denn sonst kommt mir der Schriftleiter auf den Hals. Der
Autor hatte noch einige Glanzlichter aufgesetzt, die das Publikum
erfreuten, damit soll's gut sein. -
Das Bühnenbild war zweckentsprechend; ein netter Einfall des
Spielleiters: Zehn Minuten vor eigentlichem Beginn erscheinen
Bühnenarbeiter und geben dem Bild seinen letzten Schliff, dann
setzen sie sich zu einer Flasche Bier und spielen Karten, werden
dann - nach dem 1. Klingeln - vom Spielleiter weggejagt, der der
Souffleuse in ihren Kasten hilft. Dann ein Augenblick der Ruhe und
die Handlung beginnt. - Bitte zur Kenntnis: Das Theater war
ausverkauft, und es gab viele Vorhänge; sagt das nicht genug?
(Verbandskritiker Werner Plambeck)
„Jonny de Drütte"
Die Volksspielbühne Rissen hat es fertiggebracht, fünf Abende bei
völlig ausverkauftem Haus (ca. 360 Sitzplätze) Menschen von der
Bildröhre fortzulocken. Ich glaube bestimmt, daß auch noch eine 6.
Vorstellung genügend Besucher gehabt hätte. Der Applaus, zum Teil
auf offener Szene und am Schluß der Aufführung, war überwältigend.
Konrad Hansen hat mit dieser Komödie einen guten Wurf getan. Es
fällt mir schwer, einzelne Schauspieler besonders hervorzuheben,
weil das ganze Ensemble so sehr gut war und man ja schon oft über
sie geschrieben hat. So möchte ich heute nur Thorsten Junge als
„Jonny de Drütte" erwähnen, der allein durch seine Mimik
begeisterte, ein vielversprechender Nachwuchs.
Wieviel Liebe und Einsatzbereitschaft gehört dazu, anderen Menschen
Freude zu schenken. Es sind ja nicht nur die Schauspieler, die ihre
Freizeit opfern, sondern auch die Bühnenbildner, Kostümentwerfer,
Beleuchter, Garderobieren, Getränkeverkaufer und viele andere, die
solche Abende erst möglich machen.
Ihnen allen sei herzlich gedankt. Wir freuen uns schon auf die
nächste Saison. R. Mier.
(Rissener Bürgervereinszeitung)
Spontaner Applaus
fünf Abende, vom 7. bis 11. April, war die Aula der Schule berbarg
in einen Musentempel der Göttin Thalia verwandelt und an allen
Abenden bis auf den letzten Platz besetzt. Die Volksspielbühne
Rissen hatte zur Vorstellung der niederdeutschen Komödie "Jonny de
Drütte" von Konrad Hansen eingeladen und von Altona bis Wedel kamen
sie alle, um sich mal wieder köstlich zu amüsieren. Daß an diesen
Theateraufführungen, die in niederdeutscher Mundart, also auf
plattdeutsch, vorgetragen wurden, alle Bevölkerungsschichten, sowohl
alt als auch jung, Interesse zeigten, war überraschend.
Die Akteure der Volksspielbühne treten, nachdem sie vorher etwa zwei
Monate lang ihre Freizeit für das Studium eines neuen Stückes
geopfert haben, zweimal im Jahr auf. Dieses Amateurtheater soll auch
nicht öfter spielen, denn, wie dessen Vorsitzender Egbert Wieck
meint, darf die Qualität nicht unter Quantität leiden, und die so
zahlreich gekommenen Gäste und dieser große Erfolg muß ihm Recht
geben. Dabei möchte die Theatergruppe auch gleichzeitig die
niederdeutsche Sprache pflegen und sie lebendig erhalten. Auch
hierin, obwohl mancheiner der Besucher bei einigen plattdeutschen
Begriffen seinen Nachbarn nach der Bedeutung fragen mußte, genießt
die Volksspielbühne großes Ansehen.
Von einer Tradition, speziell um die Erhaltung einer
Familientradition, handelte auch die Komödie. Zeitgeist, Geld und
Vorurteile waren in den drei Akten des Lustspiels eingeflochten,
während "Jonny de Drütte" den Erwartungen seines Opas und seines
Vaters zu trotzen schien. Ort der Handlung war die Wohndiele der
Familie Lührs auf einer nordfriesischen Insel. Als sich zur
Sommerszeit, der Erholung wegen, neben einem Lehrerehepaar aus der
Stadt auch noch zwei junge Damen bei den Lührs einquartierten, kam
der Haussegen der Familie gewaltig ins Wanken. Jonny der Dritte
schien zum schwarzen Schaf der Familie abgestempelt zu werden, als
er sich weigerte, den traditionellen Familienpflichten in der
"Betreuung" der Damen nachzukommen. Immer wieder gab es lautstarke
Beifallsstürme, wenn die Akteure auf der Bühne in deftig vitaler
Manier für die überaus große Publikumswirksamkeit des Stückes
sorgten. Spontaner Applaus war häufig zu hören und Zeichen von
Heiterkeit und Freude, denn die Amateurschauspieler verstanden es
hervorragend, in volkstümlicher Form die Zuschauer zu begeistern.
Spielleiter Rudi Schröder ist denn auch mit diesem Erfolg sehr
zufrieden und, so sagt er: "Wir möchten eigentlich nicht mehr, als
das Publikum unterhalten und erfreuen. [...]