Ein unauffindbarer Trauschein bringt
die seit über zwanzig Jahren verheirateten Brozowskys in eine
fürwahr missliche Lage. Der aus mangelndem Erinnerungsvermögen
erstehende Zweifel an ihrem legitimen, seinerzeit vor dem Rabbi
geschlossenen Ehebund beherrscht das gesamte Familienleben, zumal
von der Existenz dieses Trauscheins offenbar das ganze Glück der
einzigen Tochter, nämlich ihre Hochzeit mit einem für
kleinbürgerliche Begriffe gutsituierten. wohlerzogenen Manne
abhängt. Um endlich in den Besitz des so schicksalhaften Dokumentes
zu gelangen, sollen auf Drängen der Tochter die Eltern noch einmal
vor den Traualtar treten. Aber völlig unprogrammgemäß, sich ihrer
unerwarteten Freiheit bewusst werdend, zeigt Mutter Brozowsky wenig
Neigung, ihrem Mann zum Rabbi und damit in eine endgültig
rechtskräftige Ehe zu folgen; vielmehr sieht sich Brozowsky
gezwungen, auf seine alten Tage nochmals um die Person zu werben,
mit der er einem Mädchen das Leben schenkte und über zwanzig Jahre
Bett und Herd teilte.
Der Autor
Ephraim Kishon schreibt über sich
selbst:
»... 23.8.24 in Ungarn geboren,
neugeboren 1949 in Israel. Zu viele Schulen. Zu viele Arbeitslager:
ungarische, deutsche, russische. Verheiratet. Drei Kinder. Sechs
Theaterstücke, die außer in Israel auch in mehreren anderen Ländern
aufgeführt werden, zum Beispiel in Deutschland und sogar in Japan.
Bücher in insgesamt 33 Sprachen, darunter hebräisch, englisch,
deutsch, ungarisch, italienisch, türkisch, dänisch, holländisch,
chinesisch, japanisch etc. Schrieb regelmäßig satirische Glossen
unter dem Titel ›Chad Gadja‹ (Das Lämmchen) für Israels meist
verbreitete Tageszeitung ›Ma'ariv‹ (Abend). Leitete eine eigene
Kleinkunstbühne, die ›Grüne Zwiebel‹. Schreibt Theaterstücke aus
Liebe. Macht Filme als Hobby. Liebt Schmiedearbeit, Schach und
Torbergs deutsche Übersetzungen seiner Geschichten. Lebt in Tel Aviv
als freier Schriftsteller, nachdem er sich zuvor als freier
Schlosser im Kibbuz, freier Garagenbesitzer und in einer Reihe
anderer freier Berufe betätigt hat.«
Presse
Volksspielbühne hatte Mut
Am Wochenende spielte die Volksspielbühne den „Trauschein" von
Ephraim Kishon unter der bewährten Spielleitung Otto Schröders. Die
schöne Aula der Schule Iserbarg gab wieder den festlichen Rahmen,
der früher sehr vermißt worden war.
Voll Spannung erwarteten die Zuschauer, was die Volksspielbühne
Rissen aus dieser Komödie herausholen konnte, die kurz vorher über
den Bildschirm des Fernsehers in unsere Wohnungen gekommen war.
Konnten die Rissener Amateurspieler die Kleinbürgerkomödie, in der
plötzlich Taten oder Unterlassungen einer lange vergangenen
großzügig-nachlässigen Pionierzeit die ganze Wohlanständigkeit
umwälzen wollten, gestalten? Wie setzten sich unsere beliebten
Schauspieler mit dem fernliegenden Milieu in Israel auseinander?
Die Rissener Volksspielbühne konnte es. Sie hatte Mut. Mit Kühnheit
setzten sie die Komödie in unsere heimatliche Umwelt, als hätte sie
sich in den Eibvororten zugetragen. Hatten wir denn nicht auch eine
„Vergangenheit", verwegene Schwarzmarktzeiten, Flüchtlingsschicksal,
die plötzlich in die biedere Bürgerlichkeit einbrechen konnte? So
kam es, daß die Komödie das Publikum mitriß.
Egbert Wiek als Brozowsky spielte den kleinbürgerlichen
Haustyrannen. Seine Frau im Leben wie im Spiel Hilma Wieck eine
Ehefrau, die sich nach 25 Jahren fragt: „Hast du deinen Mann, der
jetzt vor dir steht, eigentlich geheiratet?" Vicky, die Tochter, die
„etwas Besseres" werden will und soll, spielte die reizende Bärbel
Fischbek, und dem Verlobten aus feiner Familie Robert Knoll gab
Erwin Wehr die Gestalt eines urkomischen Muttersöhnchens. Den
frischen Sturm aus dem alten Kibbuz, der auch Knoll die Braut
entriß, brachte Rudolf Schröder lebensecht. Annelie Warnke spielte
die Schlange Rose, die gar zu gern den braven Klempner Brozowsky
verführt hätte.
(Norddeutsche
Nachrichten)
Der Trauschein von Ephraim Kishon
Ein unauffindbarer Trauschein bringt die seit über zwanzig Jahren
verheirateten Brozowskys in eine fürwahr mißliche Lage. Der aus
mangelndem Erinnerungsvermögen erstehende Zweifel an ihrem
legitimen, seinerzeit vor dem Rabbi geschlossenen Ehebund beherrscht
das gesamte Familienleben, zumal von der Existenz dieses Trauscheins
offenbar das ganze Glück der einzigen Tochter, nämlich ihre Hochzeit
mit einem für kleinbürgerliche Begriffe gutsituierten, wohlerzogenen
Manne abhängt.
Um endlich in den Besitz des so schicksalhaften Dokumentes zu
gelangen, sollen auf Drängen der Tochter die Eltern noch einmal vor
den Traualtar treten. Aber völlig unprogrammgemäß, sich ihrer
unerwarteten Freiheit bewußt werdend, zeigt Mutter Brozowsky wenig
Neigung, ihrem Mann zum Rabbi und damit in eine endgültig
rechtskräftige Ehe zu folgen; vielmehr sieht sich Brozowsky
gezwungen, auf seine alten Tage nochmals um die Person zu werben,
mit der er einem Mädchen das Leben schenkte und über zwanzig Jahre
Bett und Herd teilte.
Die VB Rissen hat sich mit dieser netten Komödie eines Stückes
bemächtigt, dessen Schwierigkeiten vielleicht erst nach der vierten
oder fünften Probe offenbar wurden. Daß die Aufführung am 22.6.
gefiel, verdankt sie in ganz besonderem Maße nicht zuletzt der
ausgezeichneten Regie Otto Schröders, der sich mit spürbarem
Einfallsreichtum auch den kleinsten darstellerischen Details
widmete.
Die Rolle des alten Brozowsky kann dazu verführen, manches zu
übertreiben, zu überspitzen. Egbert Wieck erlag hier und dort dieser
Versuchung und wurde - obwohl bestimmt vom Spielleiter gebremst -
doch in den gefährlichen Strudel hineingezogen. Aber er spielte
diesen nörglerischen, streitsüchtigen und doch gutherzigen
Klempnermeister mit einem derartigen Temperament und in einer
Urlaune, daß man ihm die kleinen Verfehlungen gern verzieh und sich
uneingeschränkt mitreißen ließ.
Hilma Wieck als die ihm nachweislos angetraute Ella ließ das
Gefühlsleben dieser Frau, die Liebe zu ihrem wahrhaftig nicht
unkomplizierten Manne, ihre menschliche Reife und Toleranz, beides
aus dem Hinschwinden der Illusionen ihrer Jugendzeit erwachsen,
dezent und ohne Gefühlsduseleien überzeugend anklingen. Sie
vollbrachte eine der ausdrucksvollsten Leistungen.
Frisch und munter zeigte sich Bärbel Fischbeck als junge,
quicklebendige Tochter Vicky, die sich trotz ihrer Intelligenz,
trotz ihrer philosophischen Studien die mädchenhafte Natürlichkeit
bewahrt hat und sich - anfänglich vielleicht noch etwas gehemmt -
entsprechend gab und bewegte.
Vickys Verlobter, der Prototyp eines verweichlichten
Muttersöhnchens, dem die Mama das Evangelium und noch viel mehr
bedeutet, eine unmöglich ernst zu nehmende Figur, gemahnte den
Spieler ebenfalls zur Vorsicht, die Grenzen des Erträglichen nicht
zu überschreiten. Erwin Wehr gelang es nicht immer, sich
darstellerisch ohne Schwanken auf diesem schmalen Grat zu bewegen;
er verstand es andererseits, das ihm hin und wieder entgleitende
Spiel rechtzeitig auszubalancieren. Alles in allem, sein Robert war
köstlich, eine nicht leichte, aber dankbare Aufgabe.
Nicht ganz mit dem allgemeinen Niveau dieser Aufführung vergleichbar
war Rudolf Schröder als Nebenbuhler Bunky und Endsieger im Kampf um
die Gunst der Vicky. Das Naturell dieses Naturburschen, seine vor
Gesundheit strotzende physische und psychische Verfassung, seine
teilweise lausbubenhafte Unbekümmertheit hätten mehr herausgekehrt
werden können. Ein sich bei jeder Gelegenheit auf dem Gesicht
verbreitendes breites, zugegeben effektvolles Grinsen reichte hier
nicht aus. Keineswegs war das Spiel schlecht, nur ein Bunky war es
nicht. Völlig versagt hat hier allerdings der Maskenbildner Walter
Brock, der dem bedauernswerten Bunky einen Haarteil verpaßte, der
farblich nun beim besten Willen nicht zum eigenen, noch vorhandenen
Kopfschmuck paßte. Es gibt Mittel, Herr Brock, solche Pannen zu
vermeiden.
Die aufdringliche Nachbarin Hooper, die dem Brozowsky als lustige
Witwe hemmungslos und unverhohlen den Hof machte und hierfür bei den
Familienangehörigen naturgemäß wenig Verständnis erntete, wurde von
Annelie Warnke glänzend gebracht. Sehr gut ihre exzentrische Art,
ihre überakzentuierte "feine Dame" mittleren Alters und ihre
amüsanten Mini-Rock-Ambitionen (die sie sich allerdings - wohl
entgegen den Vorstellungen des Autors - auch leisten konnte).
Ein von Alfred Bergel erstelltes nettes Bühnenbild, eine
schwungvolle Aufführung und ein gemütlicher Ausklang des Abends
waren der reichliche Lohn für die "Fernfahrt" nach Rissen. Ein
herzliches Dankeschön allen Beteiligten. (Verbandskritiker Helmut Grählert)